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Der Konsument wird zunehmend "hybrid", sagt der deutsche Betriebswirt Wolfgang Fritz: Er umgibt sich sozial sichtbar mit Luxusgütern und spart dafür bei den Produkten des täglichen Bedarfs.

Foto: AP/Rietschel

Dem Lebensmittelhandel liegt die Krise weniger schwer im Magen als anderen Branchen. Hofer hat dennoch Marktanteile eingebüßt. Konventionelle Supermärkte stoßen mit billigen Eigenmarken ins Revier der Diskonter vor.

Wien – Die Krise treibt die Österreicher nicht in die Arme der Diskonter. Hofer hat im Vorjahr nach Zeiten des rasanten Aufstiegs erstmals Marktanteil verloren. Zahlen von AC Nielsen deuten auf ein Minus von 0,2 auf 19,7 Prozent hin. In Deutschland büßte Aldi mit gut sechs Prozent noch deutlich mehr ein. Lidl gewann zwar neuen Boden, aber langsamer als erwartet.

Über die Gründe dafür sind sich Experten uneinig. Es sei vor allem der vom Lebensmitteldiskont angezettelte überzogene Preiskampf, der sich in vielen Bilanzen niederschlage, sagt Wolfgang Fritz dem STANDARD, in Deutschland habe es 2009 ein Dutzend Preissenkungsrunden gegeben – ohne dass damit die Nachfrage angetrieben wurde.

"Aldisierung"

Der deutsche Betriebswirt lehrt an der TU Braunschweig, beschäftigt sich intensiv mit der "Aldisierung" der Gesellschaft und sieht das Wachstum der Diskonter noch lange nicht gestoppt. "In Deutschland ist ihr Marktanteil mit 47 Prozent so hoch wie nie zuvor." Aldi schneide bei aktuellen Imageanalysen besser ab als konventionelle Handelsketten. Der Konsument werde zunehmend hybrid: Er umgebe sich sozial sichtbar mit Luxusgütern und spare dafür bei den Produkten des täglichen Bedarfs.

Für Wolfgang Richter, Chef des Beraters Regioplan, zeichnen sich in Österreich sehr wohl die Grenzen des Diskonts ab. Er hält die Expansion von Hofer für ausgereizt. "Viele Standorte kannibalisieren sich mittlerweile selbst." Bei Zusatzsortiment abseits der Lebensmittel sei der Plafond erreicht. Vor allem aber seien Rewe und Spar mit Billig-Eigenmarken ins Revier von Hofer und Lidl vorgestoßen.

Spar hat seinen Marktanteil im Vorjahr nach bisher vorliegenden Daten um 0,4 Prozent auf 28,6 Prozent erhöht. Rewe verbucht einen Zugewinn von 0,7 Prozent auf fast 32 Prozent. Allerdings ohne Adeg. Der Nahversorger musste im Zuge der Auflagen nach dem Verkauf an Rewe rund zehn Prozent des Umsatzes abgeben und verlor ein Drittel seines Marktanteiles.

Krise frisst Umsätze nicht auf

Spar-Chef Gerhard Drexel sieht den Lebensmittelhandel vom flauen Konsum nicht völlig verschont, und das Jahr 2010 werde aufgrund der wachsenden Arbeitslosigkeit noch härter. Unterm Strich habe sich seine Branche jedoch weitaus besser geschlagen als andere. Spar spricht von 2,7 Prozent mehr Umsatz in Österreich auf 4,9 Milliarden Euro. Rewe beziffert das Plus ohne Adeg auf gut 4,11 Prozent.

Gewachsen sind beide vor allem auf bestehender Fläche. Es waren aggressive Aktionsschlachten und billige Eigenmarken wie S-Budget und Clever, die den Schub brachten: Rewe nennt für Clever zweistellige Zuwächse und kündigt an, das Sortiment weiter auszubauen.

Bei der deutlich jüngeren Marke S-Budget habe sich der Umsatz mehr als verdoppelt, rechnet Drexel vor. Erzielte Spar vor zwei Jahren noch 29 Prozent des Großhandelsumsatzes mit eigenen Labels, seien es mittlerweile 33 Prozent. "Die Strategie greift." Gewohnt bedeckt gibt er sich bei den Erträgen. Nur so viel: Spar werde heuer mit 450 Millionen Euro annähernd so viel investieren wie im Vorjahr. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.2.2010)