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Feine Hunde-nasen: Die Medizin könnte sie auch als Diagnostik-Tool nutzen.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Es klingt unglaublich: Diese Woche wird in Leoben eine Hundestaffel vorgestellt, die darauf abgerichtet ist, Lungenkrebs am Atem von Menschen zu erkennen. Zum direkten Kontakt zwischen Mensch und Hund kommt es dabei nicht, vielmehr stellt das Unternehmen Darwin ein Test-Tool für Menschen vor, die wissen wollen, ob sie Lungenkrebs haben. Der von Darwin entwickelte Test wird per Post verschickt und kann zu Hause durchgeführt werden. Er besteht aus einem Ballon und einem Glasröhrchen, das Kohlenstoff enthält. Dort bleiben die Moleküle aus der Atemluft hängen, und das ist die Grundlage, mit der die Hunde konfrontiert werden.

"Wenn der Hund feststellt, dass an der Geruchsprobe etwas nicht in Ordnung ist, setzt er sich hin", erklärt Unternehmenssprecher Rudolf Aichberger von Darwin. Insgesamt neun Hunde sind auf Lungenkrebserkennung abgerichtet, die Trefferquote betrüge zwischen 70 und 90 Prozent, und wenn eine verdächtige Probe gefunden wird, müssten erst mehrere Hunde das Testergebnis bestätigen. Erst dann werden diejenigen, die den Test eingeschickt haben, informiert und aufgefordert, einen Lungenfacharzt aufzusuchen. "Noch lange bevor Lungenkrebs mit bildgebenden Verfahren festgestellt werden kann, können Hunde Krebs riechen", sagt Aichberger, und deshalb sei die Methode für die Früherkennung so effizient.

Geruch interpretieren

"Viele Krankheiten senden Geruchssignale aus. Ärzte haben durch die technisierte Diagnostik nur verlernt, ihren Geruchssinn zu nutzen", sagt Geruchsforscher Hanns Hatt, Inhaber des Lehrstuhls für Zellphysiologie der Ruhr-Universität Bochum (Niemand riecht so gut wie du. Die geheimen Botschaften der Düfte. Piper Verlag 2009). Der Atem von Diabetikern riecht kurz vor einer Hypoglykämie, also einer Unterzuckerung, wie Apfelmost. Patienten, die nach Ammoniak riechen, haben ein Leberproblem, Harnstoff-Geruch deutet auf Nierenerkrankungen.

Dass Krebserkrankungen den gesamten Stoffwechsel des Menschen verändern, ist wissenschaftlich erwiesen. Tumore produzieren bestimmte Eiweißabbauprodukte, die über die Atemluft abgegeben werden. Nicht nur bei Lungenkrebs, auch bei vielen anderen Krebserkrankungen werden Stoffe produziert, die über das Blut in die Lunge und von dort in die Atemluft gelangen. "Das Problem bisher lag darin, dass die Forschung die konkreten Krebsmoleküle nicht kennt und sie deshalb auch nicht suchen kann", sagt Geruchsforscher Hass. Tiere haben wesentlich mehr Geruchsrezeptoren als der Mensch, nur welche genau für die Krebserkennung verantwortlich sind, wisse man ebenso wenig.

Jens Herbig, technischer Leiter des Tiroler Unternehmens Ionimed, sieht das anders. Er entwickelt Massenspektrometer, die Krebsmoleküle in der Atemgasanalyse ausweisen. Protonen-Tauschreaktion-Massenspektrometrie (PTR-MS) heißt die Technologie, mit der Moleküle ihrem Gewicht nach detektiert, sortiert und interpretiert werden. Im Rahmen des Kompetenzzentrums CEMIT ist es auf diese Weise bereits gelungen, einen Biomarker für das Adeno-Karzinom, eine Form von Lungenkrebs, zu finden. "Wir nehmen an, dass es eine Reihe unterschiedlicher Marker für unterschiedliche Krebsarten gibt", sagt er. Mit dem noch genaueren PTR-TOF-MS-Verfahren lässt sich das Gewicht von Molekülen in der Atemluft noch genauer messen, demnächst startet ein Projekt zur Brustkrebsfrüherkennung im Krebsforschungszentrum Oncotyrol an der Universitätsklinik Innsbruck. Darüber dass Hunde, das was Herbig und sein Team in hochkomplizierten Verfahren zu erreichen versuchen, ganz instinktiv können, weiß er Bescheid, findet aber das Procedere, einen Lungenkrebstest in Eigenregie durchzuführen, ethisch bedenklich. "Es gibt mit Hunden ja auch falsche Ergebnisse, Menschen würden dadurch sinnlos beunruhigt", gibt er zu bedenken, die Settings für den Einsatz im Krankenhaus seien wesentlich strenger gewesen. Atemgasanalyse sollte immer Teil einer breiten Diagnostik sein, meint Herbig.

TCM-Diagnostik

Atemanalyse ist von jeher auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ein Diagnostik-Verfahren und für Andreas Bayer, Leiter des Wiener Zentrums für TCM, neben der Puls-, Tast- und Zungenkontrolle Routine. "Intensiver Geruch deutet auf Hitze im Körper", sagt er. Daran müsse nichts außergewöhnlich sein, wenn Puls und Allgemeinzustand mit dieser Hitze im Einklang stehen. Wenn jedoch Puls, Zunge und Geruch kein bekanntes Gesamtbild ergeben, müsse dem nachgegangen werden, sagt Bayer, der immer wieder Patienten bei Krebsverdacht ins Spital schickt, "etwa bei einem Geruch nach abgestandenem, leicht schwefeligen Eiweiß", auch ein "irgendwie erdiger Geruch" könne ein Warnsignal sein.

Tiere können aber nicht nur Erkrankungen, sondern auch den Tod voraussagen, wenn sie entsprechend geschult sind. "Sterben ist ein langsamer Prozess auf vielen Körperebenen", sagt Geruchsforscher Hatt. Bestes Beispiel, Oskar, ein Kater, der sich in einem amerikanischen Altersheim immer unmittelbar vor dem Herzstillstand zu Sterbenskranken legte und es durch diese Fähigkeit sogar ins New England Journal of Medicine gebracht hat. Der dortige Arzt David Dosa hat über diese Katze ein Buch geschrieben, das gerade auf Deutsch unter dem Titel Was uns ein Kater über Leben und Sterben lehrt (Droemer Verlag) erscheint. "Krankheit und Sterben haben einen Geruch, den Ärzte vor 100 Jahren mangels technischer Ausrüstung noch besser kennen mussten als heute", sagt Hatt. Vielleicht wird die steirische Hundestaffel schon bald Lungenfachärzten assistieren.

(Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 1.3.2010)