Graz - Die ersten Verunreinigungen von Käse mit Listerien in der steirischen Produktionsfirma Prolactal könnten bereits im Frühjahr 2009 passiert sein: Davon war Franz Allerberger von der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) am Montag überzeugt. Die erste Erkrankung wurde in den letzten Juni-Tagen 2009 bekannt. Die Inkubationszeit betrage bei Listeriose drei Wochen, die Infektion müsste also spätestens Anfang Juni erfolgt sein.

Prolactal hat am Sonntag Dungkäfer als Krankheitsüberträger und mögliche Ursache für den Listeriose-Befall im Käse genannt. Allerdings sei der Schädling dem Unternehmen zufolge erst im Herbst bei internen Kontrollen erstmals aufgefallen. Für den AGES-Experten müsse aber schon "mehr schiefgehen", als dass "nur" ein Käfer einen derartigen Fall auslösen könne. Im Nachhinein sei das freilich schwer zu beurteilen. Beim Unternehmen hätten aber schon viel früher die Alarmglocken läuten müssen. "Wenn Proben im Betrieb gezogen werden, dann gibt es keinen Grenzwert, im Produktionsprozess gibt es null Toleranz", so Allerberger. "Da hat das eigene Warn- und Kontrollsystem versagt."

Krankheitsüberträger wie Dungkäfer dürften demzufolge nicht der alleinige Auslöser des Falles gewesen sein. Man könne nicht von einem einzelnen Fehler ausgehen, sondern von einer Kette "von unglücklichen Verfehlungen", so der Experte.

"Versehen" bei der Herstellung

Prolactal teilte am Sonntag mit, ein betriebsinterner Fehler im November 2009 dürfte dafür verantwortlich sein, dass keine wirksamen Schutzkulturen als Listerienhemmer vorhanden waren, was erst später bemerkt wurde. "Durch ein Versehen", wie es in der Mitteilung heißt, sollen die Schutzkulturen - gesetzlich erlaubte Konservierungsmittel - zweimal ausgetauscht worden sein. Der Austausch erfolgte gegen Kulturen, die - wie sich herausstellte - keinen ausreichenden Schutz gegen Listerien boten. "Im Rahmen des internen Warn- und Kontrollsystems hätte über den Kulturwechsel informiert werden müssen, was nach derzeitigem Wissenstand nicht geschah", räumte das Unternehmen ein.

Von dem Kulturenwechsel habe die Geschäftsführung erst im Jänner 2010 Kenntnis erlangt: "Es ist bedauerlicherweise nicht auszuschließen, dass Quargel, die keinen wirksamen Listerienhemmer hatten, mit erhöhten Listerienwerten in den Handel gelangten."

Dungkäfer als Überträger vermutet

Als Überträger werden laut Prolactal Dungkäfer vermutet. Diese wurden bei Untersuchungen nach vereinzelten Listeriennachweisen im Herbst 2009 in - vorgeschriebenen - UV-Insekten-Fallen bzw. auf darin enthaltenen Klebefolien entdeckt. Die Käfer waren offenbar trotz engmaschiger Fliegengitter durch ein geöffnetes Fenster ins Innere gelangt.

Als Konsequenz erfolgte in Hartberg die Reinigung und Desinfektion der Produktionsstätte, das Fenster wurde abgedichtet. Danach waren keine Listerien mehr nachweisbar. Dennoch müsse man heute davon ausgehen, dass diese trotz der Maßnahmen noch vorhanden waren, heißt es in der Information.

Listerien-Hemmer nicht wirksam

Das folgenschwere Malheur passierte in der Folge mit dem Tausch der Schutzkulturen in Verbindung mit dem noch immer vorhandenen aggressiven Bakterienstamm der Listeria monocytogenes, der bis dato in Österreich unbekannt war. "Für das Unternehmen stehe die restlose Aufklärung im Vordergrund", beteuerte Prolactal in der Aussendung. Wenngleich nicht endgültig feststehe, ob der Genuss von Quargel den Tod von mehren Menschen verursacht hat, möchte man den Hinterbliebenen und Angehörigen das tief empfundene Mitgefühl und aufrichtige Beileid aussprechen.

Kritik an Unternehmen und Gesundheitsminister

Die laut Unternehmen vermutlich gefundene Ursache für den Listerien-Befall hat am Sonntag auch politische Reaktionen hervorgerufen. Der steirische BZÖ-Obmann Gerald Grosz geht davon aus, dass der Fehler noch nicht gefunden sei, denn die Begründung von Prolactal, wonach ein betriebsinterner Fehler im Herbst 2009 schuld sei "an Schwachsinnigkeit nicht zu überbieten, da ein Betriebsfehler aus dem November 2009 wohl nicht für Tote und Erkrankte der Monate zuvor verantwortlich gemacht werden kann". Von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) sei es darum "fahrlässig", dem Unternehmen das Krisenmanagement zu überlassen.

Auch Ingrid Korosec, Obmann-Stellvertreterin des ÖVP-Seniorenbundes, forderte von Stöger "restlose Aufklärung", schließlich seien "hauptsächlich ältere Menschen" zu Opfern des Herstellungsfehlers geworden.

Einvernahmen in Hartberg

In der Hartberger Niederlassung von Prolactal sind indessen erste gerichtlich angeordnete Einvernahmen durchgeführt worden. Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Hansjörg Bacher, am Montag erklärte, sei der Produktionsleiter polizeilich vernommen worden.

Bacher sagte, dass die am Sonntag seitens der Firma zur möglichen Ursache abgegebene Stellungnahme, der eine Sachverhaltsdarstellung ans Gericht folgen soll, keinen Einfluss auf das Vorgehen der Behörde habe: "Aber es kann uns Zeit sparen, wenn mögliche Fehlerquellen identifiziert wurden". Dies ersetze natürlich nicht die objektive und unabhängige Beurteilung des Sachverhalts, so Bacher.

Als nächstes würde nun ein Gutachter bestellt, wobei die Auswahl penibel erfolgen müsse, um allfällige Befangenheitsvorwürfe von vornherein auszuräumen. Im Ermittlungsverfahren geht man laut Anklagebehörde von fahrlässiger Gemeingefährdung mit Todesfolge aus. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis fünf Jahre Haft. (APA)