Zum Glück für die französische Wirtschaft wurde der Appell des Kollektivs "24 Stunden ohne uns" nicht vollständig befolgt. Die fünf Millionen Immigranten und ihre Kinder - zusammen acht Prozent der französischen Bevölkerung - waren aufgerufen, nicht zur Arbeit zu erscheinen und einen Tag lang einen vollständigen Konsumboykott zu befolgen. Auch in Italien riefen die Gewerkschaften Migranten zum Streik auf.

Die Aktion war in erster Linie symbolisch gemeint und sollte laut der Organisatorin Nadia Lamarkbi bewirken, dass die angestammten Franzosen "die Einwanderung mit anderen Augen sehen" . "Die Hälfte der Wohnungen Frankreichs wurden durch Einwanderer gebaut, ein Zehntel der Firmenchefs sind ausländischer Herkunft" , meinte die Journalistin algerischer Abstammung.

Der Aufruf fällt in eine Zeit, in der sich "das Bild der Immigranten und ihrer Nachkommen stark verschlechtert" habe, wie das Kollektiv meint. Es bezieht sich auf die von der französischen Regierung losgetretene Debatte über die "nationale Identität" , die selbst im Lager von Präsident Nicolas Sarkozy als fremdenfeindlich kritisiert wird.

Das Fass zum Überlaufen brachte eine Szene von einem Treffen der bürgerlichen Partei UMP. Ohne zu merken, dass er von einer Videokamera gefilmt wurde, kommentierte Innenminister Brice Hortefeux die Präsenz eines jungen, offensichtlich maghrebinischen Parteimitgliedes: "Es braucht immer einen. Wenn es nur einer ist, geht es noch. Ein Problem wird es, wenn es viele sind."

Die Regierung hüllte sich in Schweigen. Das Kollektiv "24 Stunden ohne uns" verweist darauf, dass etwa ein Viertel der aktuellen Minister ausländischer Herkunft ist. Selbst der Staatschef hat einen ungarischen Vater. Wegen seiner präsidialen Verpflichtungen hatte Nicolas Sarkozy aber gestern keine Zeit, eine kleine Auszeit zu nehmen. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 2.3.2010)