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Zahnfleischbluten kann ein Hinweis auf eine beginnende Parodontitis sein
Schmerzen beim Zähneputzen und eine rote Zahnbürste: Zahnfleischbluten ist ein Alarmsignal für ernst zu nehmende Zahnfleischerkrankungen. "Die häufigste Ursache ist verminderte Mundhygiene", weiß der Wiener Zahnarzt und Parodontologe Oliver Jandrasits. Zahnfleischbluten kann ein Symptom für Gingivitis, eine Zahnfleischentzündung, sein. Diese kann wieder vollkommen ausheilen. Allerdings kann eine solche Entzündung unter bestimmten Voraussetzungen in eine Parodontitis (Zahnbettentzündung, Anm.) übergehen und damit hat der Betroffenen ein ganzes Leben lang zu tun, denn heilbar ist sie nicht. Bei der Parodontitis geht die Entzündung vom Kieferknochen aus.
Potenzierte Gefahr
Das Risiko an einer Parodontitis zu erkranken potenziert sich durch das Rauchen: "Im Zigarettenrauch befinden sich bis zu 5.000 Giftstoffe, die die Durchblutung des Zahnfleisches mindern und das Immunsystem schwächen", so Jandrasits. Gemeinsam mit falschen Putzgewohnheiten bedeutet das freie Bahn für Bakterien, die sich am Zahnfleisch ansiedeln. "Habe ich eine schlechte Mundhygiene und rauche, verachtfacht sich das Risiko an einer Parodontitis zu erkranken", warnt der Mediziner.
Einfluss von Medikamenten und Hormonen
Auch gewisse Medikamente wie Blutdruckmittel oder Antiepileptika können Zahnfleischbluten auslösen. Krankheiten wie Diabetes oder Krebs ebenso. "Krebskranke Kinder, die bestrahlt werden, leiden ganz massiv unter Zahnfleischerkrankungen", so Jandrasits. Strahlentherapie schädigt das Zahnfleisch, auch wenn die Strahlen nicht direkt auf den Mundbereich treffen. Aufgrund der Schmerzen wollen die Kinder ihre Zähne nicht gerne putzen und das wiederum ist schlecht für die Mundhygiene - ein Kreislauf, der das Problem noch verstärkt.
Auch Hormone haben Einfluss auf die Gesundheit des Zahnfleisches: Schwangere haben häufig mit einer Gingivitis zu kämpfen, die Zahntaschen sind dann häufig aufgequollen. "Der Spruch 'ein Kind, ein Zahn' kommt von der Parodontitis", so Jandrasits. Sei die Betroffene vorher gesund, werde sie heutzutage zwar nicht gleich einen Zahn verlieren. Bestand die Parodontitis aber schon vorher, breche die Krankheit in der Schwangerschaft oft massiv auf. Laut neuen Erkenntnissen kann auch Stress ein Auslöser für Zahnfleischerkrankungen sein: Mediziner vermuten, dass durch das Absinken des Abwehrstoffs Immunglobulin A im Speichel das Immunsystem geschwächt wird.
Unsichtbare Krankheit
Zur Unheilbarkeit der Parodontitis kommt noch dazu, dass sie zunächst unsichtbar ist. Mit bloßem Auge ist sie nur schwer zu erkennen. Erst der Facharzt kann die Erkrankung mittels PGU-Test (Paradontale Grunduntersuchung, Anm.) feststellen - dabei wird mit einer dünnen, stumpfen Sonde geschaut wie tief die Zahntasche ist. "Diesen Test kann und sollte jeder Zahnarzt machen", meint Jandrasits - aus gutem Grund, denn ein Drittel aller über 30-Jährigen hat in Österreich Parodontitis.
"Viele Patienten kommen erst, wenn die Zähne schon zu wackeln beginnen und die Zahnhälse immer länger werden und das ist meist zu spät." Ein frühes Symptom für Parodontitis ist Mundgeruch: "Früher hat man geglaubt, dass Mundgeruch vom Magen ausgeht, heute weiß man, dass in über 90 Prozent der Fälle Parodontitis die Ursache ist", erklärt der Mediziner. Noch eine Charakteristik macht die Parodontitis heimtückisch: sie ist ansteckend, die Bakterien können über Speichelkontakt übertragen werden. Auch ähnliche Lebensumstände und Nahrungsgewohnheiten machen den Lebenspartner zum potenziellen Leidensgenossen.
Therapie zur Schadensbegrenzung
Hat sich die Gingivitis einmal zu einer Parodontitis ausgewachsen, gilt es den Schaden klein zu halten. Ziel der Parodontitis-Therapie ist das Fortschreiten zu verhindern oder den Verlauf zu verlangsamen um bis zum Ende des Lebens möglichst viele Zähne zu erhalten.
"Jeder Parodontitispatient braucht eine Basistherapie mit dem Ziel einer mechanischen Reinigung des Zahnhalteapparates", erklärt Jandrasits. Durchgeführt wird eine solche Reinigung vom Zahnarzt. Im Unterschied dazu hilft bei einer Gingivitis schon eine Mundhygiene, die Mundhygieneassistenten durchführen können. In schlimmen Parodontitisfällen gibt es noch andere Optionen wie Operationen, Laserbehandlung, Ozon- oder Antibiotikabehandlung.
Behandelt werden sollten Gingivitis und Parodontitis in jedem Fall, denn neben dem drohenden Zahnverlust sind Entzündungen immer schädlich für den Körper. Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems oder Diabetes können dadurch verstärkt werden. Damit es möglichst erst gar nicht soweit kommt, rät Jandrasits als einfache Vorsorgemaßnahmen besser auf die Mundhygiene zu achten und vor allem auch das Rauchen aufzugeben. (Marietta Türk, derStandard.at, 4.3.2010)