UniStandard: Sie zelebrieren am 11. März mit den EU-Bildungsministern zehn Jahre Bologna - was gibt es da eigentlich zu feiern?
Karl: Die Idee hinter Bologna - einen europäischen Hochschulraum zu schaffen - ist zu begrüßen. Jedoch gibt es auf nationaler Ebene einige Umsetzungsprobleme. Wir müssen bei der Konferenz auch darüber diskutieren, was wir besser machen können.
UniStandard: Wo liegt Ihrer Meinung nach das Meiste im Argen?
Karl: Es gibt vor allem eine inhaltliche Überfrachtung. Was mich besonders stört, ist das Wegfallen von Wahlfächern und generell die Verschultheit.
UniStandard: Weniger Verschulung heißt dann auch weniger Anwesenheitspflichten?
Karl: Teilweise ja, das kann natürlich auch in Veränderungen in Bezug auf die Anwesenheit zum Ausdruck kommen.
UniStandard: Wie wollen Sie die Unis dazu bringen, die verpatzten Studienpläne zu reformieren?
Karl: Die Unis sind ja autonom. Ich habe keine Möglichkeit, in die Studienplanerstellung einzugreifen, bin aber in Gesprächen mit den Verantwortlichen.
UniStandard: Bis wann sollen die gröbsten Missstände beseitigt sein?
Karl: Es muss natürlich möglichst schnell gehen, dennoch kann man neue Studienpläne nicht von heute auf morgen erstellen. Aber fünf Jahre sind wohl nicht notwendig.
UniStandard: Glauben Sie, der steigende Leistungsdruck auf die Studierenden hängt mit dem Bologna-Prozess zusammen?
Karl: Nein, das ist meines Erachtens nach eine generelle Entwicklung. Der Wettbewerb am Arbeitsmarkt ist größer geworden, der Druck steigt - auch für Akademiker.
UniStandard: Ein anderes Thema: Die ÖH-Wahlen sind in Wien und Salzburg aufgehoben worden und müssten wiederholt werden, wie lange, denken Sie, wird es dauern, bis diese Wiederholung stattfindet?
Karl: Sowohl in Wien und Salzburg wurden Einsprüche erhoben - die Wahlwiederholung ist also noch nicht fix.
UniStandard: Zu den Zugangsbeschränkungen für Medizin: Ihre deutsche Kollegin Annette Schavan versicherte Ihnen kürzlich Unterstützung bei einer dauerhaften Verankerung der Mediziner-Quote im EU-Recht: Wieso setzen Sie dennoch auf einen weiteren Aufschub des Moratoriums bis 2017?
Karl: Kollegin Schavan hat mir zwar ihre Unterstützung zugesagt, nur können Österreich und Deutschland auf europäischer Ebene natürlich nicht alles im Alleingang bestimmen.
UniStandard: Ein anderes Problem betreffs Unizugang sind Knock-out-Prüfungen innerhalb der Studieneingangsphasen (STEPs). Wie sollen derartige Entwicklungen eingedämmt werden?
Karl: Ja, die STEPs sollen jetzt überall eingeführt werden, und die Unis sind dabei, Konzepte dafür zu erarbeiten. Knock-out-Prüfungen lehne ich ab. Wir brauchen gerechte, transparente Verfahren. Aber die Erstellung dieser STEPs liegt im autonomen Bereich der Universitäten.
UniStandard: Aber Sie könnten Vorstellungen artikulieren...
Karl: Mir ist wichtig, dass im Rahmen des Hochschuldialogs genau über dieses Thema diskutiert wird.
UniStandard: Im Hinblick auf Zugangsbedingungen sprechen Sie von individuellen Lösungen für die Unis - wie sollen diese erarbeitet werden, und wie wollen Sie Chancengleichheit gewährleisten?
Karl: An den FHs und Unis gibt es schon eine große Bandbreite an Zugangsregelungen - das geht von Aufnahmeprüfungen an FHs bis zu mehrstufigen Bewerbungsverfahren an der Veterinärmedizinischen Uni. Ich finde es sinnvoll, dass man hier die Unis und FHs über Zugangsbedingungen entscheiden lässt. Zur Chancengleichheit: Kapazitäten sind in vielen Bereichen begrenzt, denken Sie etwa an Opern- oder Konzerthäuser. Da gibt es auch ein bestimmtes Kontingent - trotzdem würde niemand sagen, dass wir deshalb einen beschränkten Zugang zu Kunst und Kultur haben. Es gibt begrenzte Kapazitäten, und das muss man akzeptieren.
UniStandard: Es hat Stimmen gegeben, die meinten, eine Studienplatzfinanzierung sei auch bei unbeschränktem Zugang möglich, was halten Sie davon?
Karl: Das Problem ist, dass das Budget, das ich zu vergeben habe, nicht nach oben hin offen ist. Wenn Sie beispielsweise einen Mietvertrag abschließen, wollen Sie ja auch genau wissen, wie viel Sie monatlich zu zahlen haben - und ich muss wissen, wie viel die Unis und Studienplätze kosten.
UniStandard: Haben Sie eine Wunschquote, wie viele Bachelors den Master anhängen sollen?
Karl: Das kann man nicht so global sagen, weil hier ja auch große Unterschiede bestehen. Ich glaube, dass derzeit das Interesse an einem Master-Abschluss noch sehr groß ist und der Bachelor als Titel sich nach und nach einspielen wird.
UniStandard: Wann wird der Bachelor vollends akzeptiert werden? Karlheinz Töchterle, Rektor der Uni Innsbruck, hat polemisch überspitzt gemeint, der Bachelor würde derzeit noch als "Titel für Studienabbrecher" wahrgenommen.
Karl: Wenn eine Universität Bachelors ausbildet, sollte sie auf diese auch stolz sein. Zu sagen, das sei ein halbfertiger Akademiker bedeutet ja, dass ich als Universität schlecht ausbilde, und das ist nicht die Aufgabe einer Universität. Das Problem ist, dass der Bachelor noch nicht so bekannt ist, das dauert einfach - gerade in einem eher titelverliebten Land wie Österreich. (Konstantin Teske, Tanja Traxler und Dominik Zechner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.3.2010)