Alois Stöger (49), Sozialdemokrat und Ex-Krankenkassenobmann aus Oberösterreich, ist seit einem Jahr Gesundheitsminister.

Foto: Standard/Matthias Cremer

STANDARD: Herr Minister, sind Ihre Behörden nur werktags für die Gesundheit der Bürger zuständig?

Stöger: Nein, die Behörden sind rund um die Uhr für die Gesundheit der Bevölkerung zuständig.

STANDARD: Warum wurde der Auslieferungsstopp des verseuchten Quargels einer Hartberger Firma dann, erst drei Tage nachdem die Gesundheitsagentur (Ages) diesen als Urheber tödlicher Infektionen identifiziert hatte, veranlasst?

Stöger: Wer sagt das?

STANDARD: Ein Sprecher der Ages im Standard. Demnach war das schädliche Produkt am Freitag, 15. Jänner, bekannt, am 19. wurde aber erst die Auslieferung gestoppt.

Stöger: Ein Verdacht ist kein mikrobiologischer Beweis. Wir behaupten ja nichts aus Jux und Tollerei, sondern benötigen klare Belege. Man kann einem Unternehmen nicht auf Verdacht die Existenzgrundlage entziehen, da braucht es Proben. Diese wurden am 18. Jänner gezogen.

STANDARD: Die Konsumenten wurden überhaupt erst am 23. Jänner informiert. In der Zwischenzeit kann viel Quargel verspeist worden sein. Warum hat Ihr Ministerium nicht sofort selbst gewarnt?

Stöger: Die Warnung hat der Erzeuger übernommen, der für das Produkt ja auch die Verantwortung trägt. Die Firma war bereit, am 19. Jänner die Produktion einzustellen und die Rückholung der Waren einzuleiten. So etwas muss erst einmal organisiert werden. Am 23._Jänner erfolgte schließlich die Warnung der Öffentlichkeit. Für mich sind das zügige Wege. Man kann die Verstorbenen natürlich nicht wegdiskutieren. Aber verglichen mit anderen Ländern, die gar nichts getan haben, hat die Lebensmittelkontrolle schnell und effizient gehandelt.

STANDARD: Die Österreicher leben auch dann ungesund, wenn sie keinen giftigen Käse essen. Punkto Übergewicht etwa brechen unsere Jugendlichen Rekorde.

Stöger: Viele junge Menschen haben zu wenig Chance auf Bewegung, die Räume werden immer enger, an den Schulen wird gespart. Es fehlt auch eine Kultur der gesunden Ernährung. Ich will deshalb durchsetzen, dass in Kindergärten und Schulen hochwertiges Essen angeboten wird. Außerdem möchte ich in der EU, wo wir derzeit an den kleinsten gemeinsamen Nenner gebunden sind, erreichen, dass wir gesundes Gemeinschaftsessen mit einem eigenem Gütesiegel auszeichnen dürfen.

STANDARD: Das reiche Österreich hinkt in Gesundheitsstatistiken hinten nach. Was läuft falsch?

Stöger: Die Gesundheitspolitik dreht sich immer nur um die medizinischen Angebote. So wichtig diese sind: Wir müssen weg von der Reparaturmedizin, hin zur Veränderung des Lebensstils, um Krankheiten zu verhindern. Dabei erwarte ich mir in der Regierung mehr Unterstützung, auch in Form eines angemessenen Budgets für die Vorsorge. Derzeit eiern wir um das Thema herum, das Problem wird hin- und hergeschoben. Gesundheit ließe sich zum Beispiel fördern, indem man in den Gemeinden die Vereinsamung von Senioren bekämpft. Derartige Ansätze übersteigen die Möglichkeiten eines Gesundheitsministers allerdings bei weitem.

STANDARD: Ihre "Waffe" ist die Bewusstseinsbildung. Warum sind Sie dann beim Kampf gegen das Rauchen so unentschlossen?

Stöger: Bin ich das denn?

STANDARD: Ich finde schon. Als Minister müssten Sie doch für ein radikales Rauchverbot kämpfen.

Stöger: Ich rauche selbst nicht, gebe also ein gutes Beispiel ab und bin auch für ein Rauchverbot in Lokalen. Allerdings habe ich bei meinem Amtsantritt ein neues Gesetz geerbt, das die Sache milder regelt. Trotz aller Kritik daran hat sich die Situation der Nichtraucher dramatisch verbessert. Im Gasthaus nicht zu rauchen ist heute gesetzliche Normalität.

STANDARD: In vielen Beisln merkt man davon aber nichts.

Stöger: Es stimmt, gerade in Wien halten sich viele Wirte nicht daran. Es ist inakzeptabel, dass diese nicht einmal den Kompromiss, den sie der Politik vor meiner Zeit abgerungen haben, einhalten. Ich werde die Übergangsfrist keinesfalls verlängern, ab 1. Juli müssen Raucherräume abgetrennt sein. Meine Geduld mit den Wirten ist dann am Ende. Wenn das Gesetz nicht respektiert wird, werde ich mich für ein generelles Rauchverbot in Gaststätten einsetzen.

STANDARD: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes könnten die Zigarettenpreise sinken.

Stöger: Ich bedaure dieses Urteil sehr. Billigere Zigaretten widersprechen dem Ziel, Jugendliche vom Rauchen fernzuhalten. Ich erwarte mir vom Finanzminister Gegenmaßnahmen, um einen Preisverfall zu verhindern.

STANDARD: Mit einer höheren Tabaksteuer?

Stöger: Wie, das sei der Kreativität des Finanzministers überlassen.

STANDARD: Sie selbst wirken fit und drahtig. Leisten Sie sich denn gar keine Sünden?

Stöger: Ein Minister begeht keine Sünden. Aber ich gestehe: Oft schaffe ich es nicht, an einer Konditorei vorbeizugehen. (Gerald John, DER STANDARD - Printausgabe, 5. März 2010)