Nackter Aufreger anno 1900: Gustav Klimts Studie zum Fakultätsbild "Medizin" als Highlight für Tefaf Paper.

Fotos: "Wienerroither & Kohlbacher"

Sobald Sittlichkeit und die Freiheit der Kunst einander in die Quere kommen, scheint Wien der ideale Nährboden für teils erbittert geführte Diskussionen. Fast ein Jahrzehnt beanspruchte etwa die ab 1900 um die von Gustav Klimt für die Wiener Universität geschaffenen "Fakultätsbilder" geführte Debatte. Die Argumentation der (damaligen) Gegner: eine Bedrohung für die moralische Ordnung der Gesellschaft einerseits und eine Verschwendung öffentlicher Mittel andererseits.

Die internationale Fachwelt war (vor 110 Jahren) anderer Meinung: Die im Rahmen der Pariser Weltausstellung präsentierte Philosophie fand nicht nur die Anerkennung der Kunstkritik, sondern wurde mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Den Wienern war das einerlei, die Regierung verbot dem Künstler, Österreich mit den Fakultätsbildern 1904 bei der Weltausstellung in St. Louis zu vertreten. Klimt trat von seinem Auftrag zurück und retournierte das Honorar von 30.000 Kronen (Gegenwert Verbraucherpreisindex 2009: 173.400 Euro). Der Rest ist Geschichte. Sowohl Philosophie als auch Medizin und Jurisprudenz kamen in Privatbesitz, wurden während des Nationalsozialismus beschlagnahmt und verbrannten 1945 in Schloss Immendorf.

Auf dem Kunstmarkt finden sich vereinzelt originale Dokumente dieses Skandals in Form von Entwurfszeichnungen. Zwei dieser seltenen Blätter begleiten Alois Wienerroither und Eberhard Kohlbacher dieser Tage nach Maastricht, wo das Wiener Händlerduo im Rahmen der Tefaf (The European Fine Art Fair, 12. bis 21. März 2010) sein Debüt gibt. Bei beiden Werken handelt es sich um Vorarbeiten zum Fakultätsbild der Medizin: zum einen die Kreideskizze zur zentralen Figur der Hygieía (griechisch "Gesundheit; 48.000 Euro), 2005 vom Wien Museum an die Erben nach Heinrich Rieger restituiert. Zum anderen wird das Skandalweibchen schlechthin die Blicke der internationalen Sammlerklientel auf sich ziehen, die detaillierte Studie der Schwebenden (135.000 Euro), ehemals in der Sammlung Serge Sabarsky beheimatet.

Als die Organisatoren der Tefaf im Juli 2009 ihre Pläne zur neuen Sektion "Tefaf Paper" bekanntgaben, war die dafür vorgesehene Präsentationsfläche in Rekordzeit ausgebucht: 18 der 19 Vertreter aus acht Ländern treten damit zum ersten Mal bei der Mutter aller Kunst- und Antiquitätenmessen an, neben Wienerroither & Kohlbacher auch Johannes Faber (Wien). In der Branche ist dies mit der Erhebung in den Adelsstand vergleichbar. Und nur das Qualitätsvollste wird insofern aus dem Bestand gezupft. Bei Faber etwa eine exquisite Auswahl an Fotografie der Klassischen Moderne, von B wie Karl Blossfeldt (ab 75.000 Euro) bis W wie Edward Weston (45.000 Euro). Insgesamt stieg die österreichische Tefaf-Delegation mit Thomas Salis (Salis & Vertes, Salzburg/Zürich; Modern Art), Roman Herzig (Galerie St. Lucas, Wien/Zürich; Alte Meister) und Wolfgang Bauer (Bel Etage, Wien; Design) damit auf fünf Teilnehmer. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 06./07.03.2010)