Vor einigen Jahren, als der Holocaustleugner David Irving bei uns verhaftet wurde (auf dem Weg zur "Olympia" -Verbindung des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf), fragte mich ein liberaler britischer Kollege, was denn groß passieren würde, gäbe es kein Gesetz gegen die Leugnung des Holocaust.

"Irving würde eine Kolumne in der Kronen Zeitung bekommen", erklärte ich (nur leicht zugespitzt) und zählte die Fälle auf, in denen die Kolumnisten Staberl und Wolf Martin den Judenmord relativiert bzw. ein Ende der Schulerziehung über Auschwitz gefordert haben.

Nun haben wir - bis gestern massiv unterstützt von der Krone - eine Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen, Barbara Rosenkranz, die fordert, die Holocaust-Leugnung straffrei zu stellen. Zu den Gaskammern kann sie sich nicht zu einem klaren "Ja, die hat es gegeben" durchringen und wählt die typische rechtsextreme Code-Sprache: "Ich gehe von dem aus, was ich in der Schule darüber gelernt habe" (Übersetzung: "In der Schule sind wir ja Opfer der antifaschistischen Umerziehung und Gehirnwäsche geworden").

Das Verbotsgesetz von 1947 (mehrfach novelliert) verbietet "nationalsozialistische Wiederbetätigung" - und die Leugnung des Holocaust. Nun haben auch liberale oder libertäre Kommentatoren wie der erwähnte britische Kollege oder Presse-Chefredakteur Michael Fleischhacker die Aufhebung des Verbotsgesetzes unter Hinweis auf das höhere Gut der Meinungsfreiheit gefordert.

Das beruht aber auf einem gedanklichen Fehler. Die Holocaust-Leugner wollen nicht eine "Meinung" loswerden, sie wollen nicht eine echte Debatte über Gaskammern (die ist längst entschieden). Sie wollen den Nationalsozialismus rehabilitieren, auf dass er - zumindest teilweise - als politische Ideologie wieder möglich wird.

Wenn man den Holocaust anzweifeln darf (wider jede Vernunft und die beste Beweislage, die je bei einem historischen Verbrechen vorlag), dann ist alles debattierbar. Dann geht es auch ganz leicht mit dem Rest: Rassenhass, Herrenmenschentum, Führerprinzip, völkische Ideologie.

Frau Rosenkranz will übrigens gar nicht das ganze Verbotsgesetz kippen, sagt sie. Nur die Holocaust-Leugnung soll fallen. Das passt schon. Denn die Holocaust-Leugnung ist bereits Wiederbetätigung.

Frau Rosenkranz müsste als Geschichtsstudentin wissen, dass die monströsen Verbrechen der Nazis stattgefunden haben. Aber sie will offenbar einen thematischen Freiraum schaffen, in dem der ganze Nationalsozialismus, bzw. seine Essenz "objektiv" diskutiert und seine Verbrechen nach und nach angezweifelt werden können.

In diesem Kontext, aus ihrem politischen Umfeld, muss ihre Forderung gesehen werden. Und nicht nur ihre. Strache war noch 2008 für die Abschaffung, jetzt plötzlich nicht mehr. Martin Graf ist noch immer dafür. Was ist der FPÖ-Führung so wichtig an diesem scheinbar historischen Thema?

Das Verbotsgesetz ist ein Sonderrecht. Aber es ist eben nicht obsolet geworden. Die Tatsache, dass die extreme Rechte es weg haben will, zeigt seine fortdauernde Notwendigkeit. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.3.2010)