Am Ende der ersten Woche ist das Interesse von Aktivisten am Tierschützer-Mafiaprozess in Wiener Neustadt ungebrochen - trotz der zum Teil recht strengen Verhandlungsführung

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Wiener Neustadt - "Das ist nicht lustig!", tönt Vorsitzende Sonja Arleth von der Richterbank. "Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass ich Störende des Saales verweisen werde".

Anlass von Arleths Zorn am Beginn des dritten Tages beim Tierschützerprozesses im Landesgericht Wiener Neustadt: ein Auflachen der Zuhörer nach einer neuen Vorhaltung von Staatsanwalt Wolfgang Handler. Vorgebracht so, dass es in der aufkommenden Routine des vorerst bis zur Sommerpause angesetzten Prozesses gegen 13 Aktivisten wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a und anderen Delikten als Überraschungseffekt wirkt.

"Dieses Verfahren ist von der Realität eingeholt worden. In der Nacht von 2. auf 3. März 2010 wurden in einer Kleiderbauer-Filiale in Wien-Favoriten drei Auslagenscheiben zerstört", bringt Handler aufspringend vor. "Es dürfte ein Ziegelsteinwurf gewesen sei. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz wurde Ziegelstaub gefunden. Was sagen Sie dazu?", setzt Arleth in Richtung Martin Balluch fort.

Das findet eine Reihe Zuhörer witzig, während es Balluch Möglichkeit zu einer ironischen Antwort gibt:"Gestern wurde hier der Umstand, dass es seit Beginn der Tierschützermittlungen keine Sachbeschädigungen mehr gab, als Indiz gewertet, dass eine kriminelle Organisation existiert. Somit betrachte ich diese Neuigkeit als Zeichen meiner Unschuld."

In der Folge wenden sich Richterin und Staatsanwalt - der Anklageschrift, Kapitel "Strategien" folgend - der Frage zu, ob Diskussionen über Anschläge im Internet oder die Archivierung von Bekennerschreiben als Hinweise für die Existenz einer Tierschützermafia zu werten sind. Wie Balluchs Reaktionen auf Staatsanwalt Handlers Fragen zeigen, ist das gar nicht so einfach.

Infos über Anschläge

Handler: "Warum werden Sie kontaktiert, wenn es um Auskunft über die (militante Tierschützerbewegung, Anm.) Animal Liberation Front (ALF) in Österreich geht?" Balluch: "Weil ich eine bekannte Ansprechperson der österreichischen Tierschutzbewegung bin." Handler: "Sammeln Sie Infos über die ALF in Österreich?" Balluch: "Ich sammle Infos zu allen Tierschutzbelangen." Er distanziere sich von den Methoden der ALF, betont Balluch in der Folge.

Nach der Mittagspause kommt in Zusammenhang mit Laptops im Saal Nervosität auf. Wer einen Laptop in Betrieb hat, aber nicht zur Presse gehört, muss gehen. Anschließend werden auch mit Platzkarten ausgestattete, laptopbewehrte Pressevertreter ins Präsidium geschickt, um sich einen Zusatzzettel zu holen - von dem dort niemand etwas weiß.

Zuletzt müssen auch die Angeklagten ihre Kleincomputer ausschalten, weil sie sich - so Arleth - online absprechen könnten. Die Verteidiger beantragen, die Entscheidung rückgängig zu machen; das Recht, sie zu fällen, kommt der Vorsitzenden laut Rechtsexperten aber zu. Der Prozess wird Montag fortgesetzt. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.3.2010)