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Die Geste, die Ilco Naumoski mit seinem Publikum teilt

Foto: APA/Pfarrhofer

Mattersburg - Was den Ilco Naumoski betrifft, herrscht im und um das Pappelstadion eine ziemliche Einmütigkeit: Einerseits, so heißt es, brauche man über seine fußballerischen Qualitäten nicht zu reden; andererseits sei es ungemein schwer, in dem, worüber sehr wohl zu reden wäre, nicht ein ums andere Mal das Wort "Trottel" einzuflechten.

Im Grunde freilich müsste man es umgekehrt sehen. Denn nichts ist für einen Fußballer wichtiger als der Kopf. Der erst macht den Unterschied zwischen Brieskicker und Badkicker.

Es mag sein, dass Psychologen einen Terminus dafür haben, was dem Ilco Naumoski zu einem Fußballspieler fehlt. Mangelnde Einsicht gehört sicher dazu, weshalb die Hoffnung des Strafsenats, die vier Spiele Sperre nach seinem Auszucker im Heimspiel gegen die Austria könne ihm "den Ernst der Lage" vor Augen führen, ein wenig zu zuversichtlich anmutet.

Realistischer schon das pädagogische Bemühen des Vereins, der ein strenges Interviewverbot über Naumoski verhängt hat. Es würde ansonsten nämlich die Gefahr einer Missinterpretation bestehen. Dass der, nun ja, Stürmer eventuell annehmen könnte, das mediale Interesse gelte dem Star und nicht bloß den Allüren.

Franz Lederer ist nicht der erste Trainer, der die Augen verdreht, wenn jemand ihn auf Naumoski anspricht. Gleichwohl lobt er dessen überragende technische Fertigkeit, seine Ballsicherheit, seine Präsenz. Soll er ihn mit einem einzigen Wort charakterisieren, fällt ihm freilich nur eines ein: "Ein Bub."

Dietmar Kühbauer, selber nicht ganz vorm Auszucken gefeit, kann das nur unterstreichen. "Ich mag ihn, wirklich. Aber erwachsen ist er nicht geworden." Ein Lausbub im Körper eines Mannes. Nicht, dass er da der Einzige wäre, aber in dieser extremen Form kommt er einem Unikat ziemlich nahe.

Am auffälligsten ist wohl sein für jeden Zuschauer sichtbares ilèozentriertes Weltbild. Bei einem 26-Jährigen ist es zumindest bemerkenswert, dass er annimmt, buchstäblich alles würde sich um ihn selber drehen, sodass die gute Leistung eines Mitspielers zu wenig mehr Anlass gibt als zur beckmessernden Eifersucht.

Auslandsträumerei

Dazu kommt eine geradezu erstaunliche Unprofessionalität, die Naumoski immer schwerer mit seinem Talent aufwiegen kann. Sein Trainingseifer ist legendär. Erst im vergangenen Sommer hat er das komplette Vorbereitungsprogramm mitgemacht. Da wollte er "ins Ausland" , träumte von lukrativen Angeboten auf der Insel, kam freilich desillusioniert von einem Kurzbesuch in Schottland nach Mattersburg zurück, wo er sich als "Ilco neu" fast als Publikumsliebling positionieren konnte. Nun, nach seiner Würge-Attacke gegen Kollege Robert Waltner und seiner Ellbogen-Attacken gegen Kollege Sedloski, habe ihm, hört man aus dem Kollegenkreis, Schiedsrichter Gangl den guten Herbst "zsammghaut" . Thomas Gangl, nicht er, Ilco Naumoski, den sein Vater seit Kindertagen "Ilèo Maradona" ruft.

Manche in Mattersburg erklären sich Naumoski mit dessen "südländischem Temperament" und lassen sich davon auch nicht durch den Hinweis auf seinen mazedonischen Landsmann Goce Sedloski abbringen, der quasi das Gegenteil von Naumoski ist.

Dieser ist, wenn schon, geradezu ein Paradefall des Österreichischen. Nicht nur deshalb, weil er hier ausgewachsen ist. Im Rapid-Nachwuchs, im burgenländischen Klingenbach, beim GAK, dreimal beim türkischen Malatyaspor, nullmal bei Catania Calcio und nun mittlerweile schon 136-mal bei Mattersburg stellte er vollendet das "schlamperte Genie" dar - ein Pleonasmus hierzulande.

Kühbauer, einst sein Kapitän, sagt das so: "Wenn der nur 80 Prozent bringt, ist er wahrscheinlich der beste Kicker in Österreich." Aber er sagt auch: "Ich fürchte, es ist dafür schon zu spät." (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD Printausgabe, 8.3.2010)