Martina Pfingstl empfahl den Studierenden bei der akademischen Fragestunde mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl vergangene Woche, aus dem dem Hochschuldialog auszusteigen. "Diese Diskussion hat mich gelangweilt."

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Den Plänen von Wissenschaftsministerin Karl für die Universitäten fehlen die Visionen, findet Martina Pfingstl, Vorsitzende des Senats an der Akademie der Bildenden Künste. Warum sie den Studenten empfiehlt, aus dem Hochschuldialog auszusteigen und wieso Österreich andere Politiker braucht, erklärt sie im derStandard.at-Interview.

derStandard.at: Wissenschaftsministerin Beatrix Karl verteidigt alles, wogegen die Studierenden kämpfen: Studiengebühren, Zugangsbeschränkungen, Bologna. Waren die Proteste im Herbst umsonst?

Pfingstl: Nein, die Proteste waren nicht umsonst. Es wurde viel erreicht und am Besten wissen das die Studierenden an den Universitäten selbst. Bildungspolitisch war leider von Seiten der ÖVP-Regierung nicht viel Bewegung zu erwarten. Die Zugangsbeschränkungen kommen nicht überraschend, allerdings hätten wir nicht mit dieser Vehemenz und mit diesem Tempo gerechnet. Der Protest hätte ein Verschieben erwarten lassen, aber ungleich heftig ist jetzt das Tempo der Regierung.

derStandard.at: Ist diese Vehemenz von Seiten der Regierung ein „Jetzt erst recht"?

Pfingstl: Sämtliche Ressorts agieren den Betroffenen gegenüber verhältnismäßig repressiv. In allen Bereichen wird über die Köpfe der Leute hinweg entschieden – ob das die Rechtsanwältinnen betrifft oder das Asylrecht – auf die Betroffenen wird keine Rücksicht genommen.

derStandard.at: Auch bei der akademischen Fragestunde mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl vergangene Woche haben die Studierenden wieder die vollständige Abschaffung von Bachelor und Master gefordert. Unrealistische Selbstüberschätzung?

Pfingstl: Kritik darf durchaus utopisch sein, allerdings macht sie genau das für viele Bevölkerungsschichten wenig nachvollziehbar. Gleichzeitig: Über den Tellerrand hinaus zu denken und Forderungen zu stellen, ist in jedem Fall legitim. Wir leben in einer Zeit, in der Politik nicht darin bestehen kann, dass da und dort Reförmchen passieren. Es muss endlich größere und längerfristige Visionen geben. Da kann das Ziel, den Bologna-Prozess abzuschaffen, durchaus als Diskussionsgrundlage dienen. Es geht um die Haltung gegenüber der Bildung.

derStandard.at: Was ist Ihr Fazit der akademischen Fragestunde mit der Wissenschaftsministerin?

Pfingstl: Wenn sich Personen wie Ministerin Karl oder Rektor Winckler dem öffentlichen Gespräch stellen, hat das ausschließlich den Sinn, dass alle anwesenden Personen nach der Diskussion wissen, dass es keinen Sinn macht, ein Gespräch zu führen. Beatrix Karl operiert austauschbar. Es ist völlig egal, welche Person an der Spitze operiert, solange sie das im Sinne der ÖVP-Politik tut, scheint jedes Gespräch überflüssig. Karls Strategie der Dialogbereitschaft ist nicht glaubwürdig. Sie setzt die Politik von Hahn fort und verhält sich destruktiv. Es ist schon mutig, dass sich diese Frau auf das Podium setzt und null Visionen hat.

derStandard.at: Sie haben den Studierenden empfohlen, sich aus dem Hochschuldialog zurückzuziehen. Woher kommt diese Resignation?

Pfingstl: Alle diese Politikerinnen, die da stehen, haben keine Handlungsmöglichkeiten. Es wird nur die Parteilinie verfolgt. Mit den handelnden Personen ist kein gemeinsamer Staat zu machen. Gerade jetzt nach dem Tod der ehemaligen Frauenministerin Dohnal, sieht man wieder, dass in der österreichischen Politik Personen mit Visionen fehlen. Die ist noch mit dem Willen in ein Ressort hineingegangen, tatsächlich nachhaltige gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Politiker wechseln von einem Ressort in das nächste und Fachkompetenzen zählen anscheinend überhaupt nicht mehr.

derStandard.at: Was heißt das für den Hochschuldialog?

Pfingstl: Meine Meinung ist nach wie vor, dass die Leute aussteigen sollten. Ich sehe die Sinnhaftigkeit dieses Dialogs nicht mehr. Es müsste von der Politik endlich einmal ein Bekenntnis ausgesprochen werden, hier gemeinsam etwas verändern zu wollen. Aber nicht einmal dieses Bekenntnis ist da.

derStandard.at: Mit beinahe drei Monaten zeitlicher Distanz: Wie bewerten Sie die Besetzungen? Wo sind Fehler passiert?

Pfingstl: Ich steh nach wie vor hinter jeder Besetzung. Ich könnte nicht irgendeinen Fehler erkennen. Dass im Audimax so viele Personen ohne Wohnort waren, ist extrem negativ dargestellt worden und hat uns an unsere eigenen Grenzen gebracht. Man kann nicht politische Ziele verfolgen und dann gleichzeitig zur Sozialarbeiterin werden.

derStandard.at: Wie steht es um das Verständnis für die Studierenden in der Gesellschaft?

Pfingstl: Wohl eher schlecht. Da geht es gar nicht um die Studenten, sondern um den Wert und die Anerkennung von Bildung. Das ist in Österreich ein massives Problem. Aufgabe der Politik ist es zu zeigen, dass Bildung gesellschafts- und demokratiepolitisch wichtig ist. Aber genau das wird von der Politik in keiner Weise vermittelt.

derStandard.at: Inwieweit sind die Studenten selbst Schuld an dieser Haltung in der Gesellschaft?

Pfingstl: Es ist mir nachvollziehbar, dass viele nicht damit einverstanden sind, wenn die Ministerin von Einzelnen persönlich attackiert wird. Das ist nicht zielführend und bringt nichts.

derStandard.at: Beatrix Karl hat die Studierenden darum gebeten, ihr Kritikpunkte per Mail mitzuteilen. Hat sie verstanden, worum es den Studierenden geht?

Pfingstl: Die Ministerin hat Universitäten in letzter Zeit häufig mit einer Oper verglichen. Ich persönlich habe den Schluss daraus gezogen, dass bei ihr genau gar nichts angekommen ist. Das ist angesichts der Gespräche, die schon stattgefunden haben, erstaunlich.

derStandard.at: Karl hat kritisiert, dass sie von Journalisten immer nur nach Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren gefragt wird. Welche Frage sollte man ihr stattdessen stellen?

Pfingstl: Die Frage nach den Visionen. Mich würde wirklich interessieren: Was will sie für die Universitäten? Wo sieht sie die Universitäten zwanzig Jahren? Und da kam keine Antwort. Ministerin Karl begrenzt sich selbst auf die Fragen nach Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen. (Stephanie Mittendorfer, derStandard.at, 9.3.2010)