
Ein Buch über die Zukunft zu schreiben, sei eigentlich gar nicht möglich. Das jedenfalls behaupten die Autoren von "Handbuch Zukunft 2010. Trends, Herausforderungen, Chancen.", Klaus Burmeister und Holger Glockner. Und machen es dann doch. Ihr 227 Seiten starkes Buch soll Unternehmen und Wirtschaft relevante Entwicklungen und Trends vor Augen führen. Der Anspruch der Zukunftsforscher: Man könne lediglich "ausschnitthafte Bilder der Welt von morgen" anführen und dabei unterschiedliche Perspektiven einnehmen.
Auch Trendbrüche tragen zum Wandel bei
Im ersten Kapital "Werkzeuge" wird erklärt, wie Zukunftsforscher arbeiten, um weiter als nur in die Gegenwart zu blicken. Nicht Individuen stünden dabei im Vordergrund, sondern Organisationen, Institutionen und Systeme. Die Zukunft voraussagen könne man ohnehin nicht - nur "nützliche Aussagen über sie treffen." In diesem Kapital wird auf die Geschichte der Zukunftsforschung eingegangen und erklärt, dass Trendbrüche ebenso Faktoren des Wandels sind wie Trends und dass die Kernmethode der Zukunftsforschung die Entwicklung von Szenarien ist. Häufig verwendete Szenariotypen sind unter anderem: Best Case, Worst Case, politisch getriebenes Szenario oder "Wild Card Szenario" - die Zukunft nach einem grundlegenden Strukturbruch.
Bedarfe durch Prognosen abschätzen
Der Leser erfährt außerdem, dass Wirtschaft und Politik die beiden wichtigsten Arbeitsgebiete der Zukunftsforschung sind, etwa um Bedarfe abzuschätzen, die häufig durch Prognosen beantwortet werden. "Corporate Foresight" (Zukunftsforschung für Unternehmen) beziehungsweise "Public Foresight" (Zukunftsforschung für die öffentliche Hand) geht noch weiter: Diese Arten von Forschung werden betrieben, wenn "langfristige Entwicklungen, neue Herausforderungen und größere Umbrüche ins Spiel kommen".
Ein "digitaler Assistent"
Kapitel zwei widmet sich sieben Fokusthemen, die schon heute absehbare künftige Herausforderungen darstellen sollen: Energie und Klima, Mobilität und Verkehr, Stadt und Raum, Arbeit und Wirtschaftsprozesse, Gesundheit und Körper, Alltag und Lebensführung, Medien und Kommunikation. Weil sich Zukunft eben nicht vorhersagen lasse, sondern bestenfalls "nützliche Aussagen" getroffen werden könnten, beruhen die Schilderungen eher auf dem Festhalten der aktuellen Situation sowie auf Trends. Das geht von der Förderung von erneuerbaren Energien über nachhaltiges Wirtschaften bis hin zur Entwicklung neuer Medienformate. Ein Beispiel für Letzteres ist der "digitale Assistent", der für den Rezipienten aus allen verfügbaren Informationen ein personalisiertes Medienmenü zusammen stellt.
Trend-Glossar
Das dritte Kapital, "Zukunftsmärkte", widmet sich einzig einem nachhaltigen Kapitalismus inklusive seiner Ziele und Modelle. Fast die Hälfte des Buches nimmt das vierte und letzte Kapitel, das Trend-Glossar ein: Es werden 100 Trends inklusive Grafiken angeführt, die "absehbare Entwicklungen" bündeln. Dazu gehören viel zitierte Vorhersagen wie das Wachsen der Bevölkerung, die Alterung der Gesellschaft, der Anstieg der Kluft zwischen Arm und Reich. Weitere Trends: Die Forschungsausgaben steigen, die Meere werden weiterhin verschmutzt, neue Konfliktformen wie Piraterie sind im Entstehen.
Keine Kristallkugel
Nichts, was man nicht schon wüsste, mag manch einer dabei denken. Wer aber erwartet, mit einem Zukunftsbuch eine Art Kristallkugel in Händen zu halten, die eine Antwort auf alles, was noch vor uns liegt, bereithält, hat mit Sicherheit die falsche Lektüre gewählt. Den größten Teil des Geschriebenen haben viele Leser zwar sicher bereits im Alltag oder durch den Konsum von Medien wahrgenommen. Wirft man aber am Ende noch einmal einen Blick auf den Umschlag und studiert den Subtitel "Trends. Herausforderungen. Chancen", bemerkt man, dass die Autoren genau darüber informieren. Wie sich das Gelesene auf die Zukunft auswirken könnte, darauf kann sich jeder selbst einen Reim machen. (mak, derStandard.at, 11.3.2010)