Graz - Ein neuer Missbrauchsfall in der römisch-katholischen Kirche ist in der Oststeiermark bekanntgeworden. In den späten 1970er- und -80er-Jahren soll ein Pfarrer bis zu zwanzig Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts sexuell missbraucht oder belästigt haben. Dies berichtet die Wochenzeitung "Falter" in ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe. Der Priester selbst, heute im Burgenland in einer Gemeinde tätig, bestätigte in derselben Ausgabe die - mittlerweile verjährten - Vorfälle. Bei der Diözese Graz-Seckau wurde man offenbar erst durch die Zeitung auf den Fall aufmerksam gemacht.
Drei der Missbrauchsopfer erzählten von dem offenbar über Jahre währenden Missbrauch, der sich in Firmstunden, bei Nachhilfe - der Priester war auch als Religionlehrer tätig - oder bei der Firmprüfung, "die er uns in seinem Zimmer abgenommen hat. Da musste man sich zu ihm aufs Bett legen, es kam zu Streicheln und zu Zungenküssen," so eines der Opfer. Der Geistliche habe auch Geld gegeben, "gleichsam als Schweigegeld."
Der fragliche Pfarrer bestätigte im "Falter" die Vorwürfe in erstaunlicher Offenheit: "Ja, es war Missbrauch. Es tut mir eh furchtbar leid, aber ich bin seit circa 25 Jahren clean. Ich habe mich entschuldigt, ich hoffe, bei allen Opfern". Während der Geistliche von "sieben, acht" Fällen spricht, deuten die Opfer selbst an, von bis zu zwanzig Fällen zu wissen.
Aufdringlich geworden
In den 1980er Jahren unterrichtete der Pfarrer auch Religion an einer weiterführenden Schule. Nachdem er Mädchen gegenüber aufdringlich geworden war, sei er damals umgehend aus dem höheren Schuldienst entfernt worden. Dennoch unterrichtete er weiterhin an einer Hauptschule und an einer Volksschule. Auch im Burgenland war er bis zum Jahr 2001 an Pflichtschulen tätig.
Der burgenländische Bischof Paul Iby sei vor zehn Jahren von mehreren Opfern über die zahlreichen Missbrauchsfälle informiert worden, die sich zuerst an die Männerberatungsstelle gewendet hätten. Der Priester habe schon damals alles zugegeben, als Sanktion gab es zwei Therapiestunden bei einem Psychologen. "Wir waren damals noch ein bisschen ungeschickt im Umgang mit diesen Dingen. Früher hat man die Pfarrer einfach nur woandershin versetzt. Jetzt herrscht eine ganz andere Sicht", so Iby in der Zeitung.
Bei der Pressestelle der Diözese Graz-Seckau hieß es, man habe erst durch die "Falter"-Recherchen von dem Fall erfahren. Seines Wissens hätten sich vier der Opfer vor etwa zehn Jahren an die Männerberatungsstelle Graz gewendet. Diese sollte ein Treffen mit Bischof Iby einfädeln. "Dieser Fall zeigt auch, wie notwendig es ist, dass sich Missbrauchsopfer bei der diözesanen Beratungsstelle melden", so der Sprecher. Erst Ende Februar war ein Fall von Missbrauch durch einen mittlerweile verstorbenen Priester in der Obersteiermark - er war Bruder des Stifts Admont - durch die "Kleine Zeitung" aufgedeckt worden.
Kapellari "tief betroffen"
"Tief betroffen" über den Fall hat sich der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari gezeigt. In einer Presseaussendung der Diözese Graz-Seckau vom Dienstagabend verweist Bischof Kapellari laut Kathpress auf den unbedingten Willen der Bischöfe, alle Fälle von sexuellem Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter aufzuarbeiten: "Wir bitten alle Opfer ausdrücklich um Verzeihung und bitten sie, sich zu melden."
Wie es in der Presseaussendung weiter heißt, sei dieser Fall bisher weder der diözesanen Ombudsstelle noch den diözesanen Verantwortlichen bekannt gewesen. Kapellari verweist auf die jüngste Erklärung der österreichischen Bischöfe, in der allen Respekt gezollt wird, "die bereit sind, über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zu sprechen. Es ist nur zu erahnen, wie viel Überwindung und Mut es braucht, die Erinnerung an erlittenen Missbrauch in Worte zu fassen." (APA)