Wie beschränkt ist die Verteidigung des freien Uni-Zugangs? Rektor Badelt: "Dieses System ist nur mehr zynisch, asozial und ineffizient."

Foto: Heribert Corn, Der Standard

Die Diskussion über den freien Hochschulzugang ist wieder voll entbrannt. Laut Wissenschaftsministerin wird es in den Massenstudien ohne Zugangsbeschränkungen nicht gehen. SPÖ, Grüne und "Audimaxisten" sind empört. Die Lösung des Problems liege in mehr Geld für die Unis, Zugangsbeschränkungen seien untragbar und würden Proteste "der" (welcher?) Studierenden auslösen. Wieder ist eine Runde in einem unendlichen Spiel eingeleitet. In der Praxis gibt es weder Geld noch eine geregelten Zugang. Übrig bleiben die überlasteten Unis und die dort inskribierten Studierenden.

Dazu das Fallbeispiel der zweitgrößten Universität Österreichs, der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), einer spezialisierten Universität mit mehr als 26.000 Studierenden; Sie bietet nur zwei Bachelorstudien an, allerdings zählen beide Studien zu den überlasteten Massenstudien, interne Umschichtungsmöglichkeiten von unterausgelasteten zu überlasteten Studien gibt es daher nicht.

Erster Akt des Dramas: Die jüngste Novelle zum Universitätsgesetz schreibt den "freien" Hochschulzugang fest: Die Universität muss jeden Maturanten zum Studium zulassen, und das gilt für alle Bürger/innen aus der EU, also auch aus Deutschland. Ferner rühmt sich die Regierung, eine "Studieneingangsphase" verpflichtend vorzuschreiben (die es an der WU schon vor der Gesetzesänderung gab); allerdings: Diese dient nur der Orientierung. Prüfungen, die die Zahl der Studierenden an die vorhandenen Kapazitäten anpassen, sind ausdrücklich verboten! Wenn aber aufgrund des Andrangs ausländischer Studierender die Studienbedingungen "unvertretbar" werden, dann kann die Regierung die Universität ermächtigen, Zulassungsverfahren einzuführen. Nach der Logik des Gesetzes gibt es den Fall nicht, dass aufgrund der Zahl der inländischen Studierenden die Studienbedingungen unvertretbar sind - den Fall gibt es halt nur in der Praxis, aber eben nicht im Gesetz.

2. Akt des Dramas: Im Zuge der Leistungsvereinbarungsverhandlungen zwischen Ministerium und Universität werden genaue Kapazitätsrechnungen angestellt und festgeschrieben: Die WU hat für 1.300 Bachelor-Absolventen pro Studienjahr Platz; und das in einer Situation, wo bereits 323 Studierende auf eine/n Professor/in kommen. Bei den meisten Lehrveranstaltungen im 1. Studienjahr werden "Gruppengrößen" von 300 Studierenden angenommen. Wahrlich ein Luxus!

3. Akt des Dramas: Die Anfängerzahl im Wintersemester steigt dramatisch, unter anderem (aber nicht nur) wegen des starken Wachstums der deutschen Studierenden. Für das gesamte laufende Studienjahr zeichnen sich Anfängerzahlen von bis zu 7.000 Personen ab. Das übersteigt die Kapazitäten bereits um mehr als das Fünffache (!). Die WU stellte daher im November einen Antrag, ein geordnetes Zulassungsverfahren einführen zu dürfen. Wird ihr das nicht erlaubt, dann müssen schon mehr als 80 Prozent der Studierenden in den ersten Semestern wieder "hinausgeprüft" werden. Denn es gibt für sie keinen Platz, aber eine offizielle Auswahl in der Studieneingangsphase, die sich an den Kapazitäten orientiert, ist verboten.

4. Akt des Dramas: Seit einiger Zeit gibt es Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern über die Genehmigung des WU-Antrags. Offizielle Rückfragen zum Antrag gibt es nicht. Doch dann wird der WU von der SPÖ- Wissenschaftssprecherin über die Zeitung ausgerichtet, dass eine Genehmigung des Antrags nicht in Frage käme. Der Antrag sei rechtswidrig, was durch ein Gutachten, das man der WU bislang nicht einmal gezeigt hat, bestätigt sei. Und überdies ginge es nicht an, dass die WU eine "Eliteuniversität" werden wolle, vielmehr habe sie ihren öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Was zweifellos stimmt. Allerdings steht dahinter ein seltsames Verständnis einer Eliteuniversität: Wenn eine Uni, bei der jetzt schon mehr als 300 Studierende auf eine Professorenstelle kommen, sich dagegen wehrt, noch mehr Studierende, aber nicht mehr Personal zu bekommen, dann droht nach dem Verständnis der SPÖ-Wissenschaftssprecherin die Gefahr, sie könnte zur "Eliteuniversität" werden. Jetzt wissen die Unis endlich, was man bei uns unter "Elite" versteht. Und weiters: Offensichtlich haben die österreichischen Unis zwar einen öffentlichen Auftrag, nur die Politik hat keine Verpflichtung, die Erfüllung dieses Auftrags zu finanzieren.

5. Akt des Dramas: Der liegt noch in der Zukunft: Wahrscheinlich werden weiterhin alle politischen Kräfte, die keine Finanzverantwortung haben, mehr Geld für die Unis verlangen, während gleichzeitig die Regierungsspitze Pläne zur Budgetsanierung vorlegt. Für die WU müsste nur zur Herstellung von durchschnittlichen Betreuungsrelationen in Österreich (121 Studierende pro Professor/in) die Zahl der Professorenstellen fast verdreifacht werden (von 68,8 Stellen auf rund 200 Stellen). Und dazu müssten entsprechende Büro- und Lehrräume finanziert werden, also etwa eine Verdreifachung des Budgets von derzeit rund 100 Millionen Euro. (vom Anspruch, auch "Spitzenforschung" zu betreiben, um beim nächsten internationalen Vergleich gut abzuschneiden, ganz zu schweigen.) Und ähnliches müsste für die anderen überlasteten österreichischen Unis passieren. Und da dieses Geld nicht da ist, werden die Audimaxisten weiterhin den freien Hochschulzugang verlangen, die SPÖ wird ihn "mit Erfolg" verteidigt haben und ein paar Tausend junge Menschen werden jährlich an der WU aufgenommen werden, um dann in einer Sequenz von Multiple-Choice-Prüfungen während eines Zeitraums von bis zu zweieinhalb Jahren wieder aus der WU hinausgeprüft zu werden. Dieses System ist weder "liberal" noch "sozial" - es ist nur mehr zynisch, asozial und ineffizient. (DER STANDARD-Printausgabe, 10.3.2010)