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Scheich Mohammed Sayed al-Tantawi, Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität und -Moschee, starb während eines Besuchs in Saudi-Arabien.
Doha - Die höchste theologische Autorität im sunnitischen Islam, der Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität und -Moschee, Mohammed Sayed al-Tantawi, ist tot. Er starb 82-jährig während eines Besuchs in Saudi-Arabien, wie der TV-Sender Al-Jazeera am Mittwoch meldete. Nach seiner Teilnahme an einer Preisverleihung am Dienstagabend in Riad erlitt er eine Herzattacke und starb kurz darauf in einem Militärkrankenhaus. Er wird auf Wunsch seiner Familie nicht in seiner ägyptischen Heimat, sondern in der Pilgerstadt Medina beerdigt.
In Riad empfing der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im Beisein von Tantawi den "Internationalen König-Faisal-Preis für Verdienste um den Islam" in Anerkennung seiner "großartigen Bemühungen" um die Anliegen der islamischen Welt. Der Preis wurde von den Söhnen des 1974 ermordeten Königs Faisal, darunter Außenminister Prinz Saul al-Faisal, gestiftet.
Fatwasfür eine Milliarde Sunniten
Mit ihren Fatwas (religiösen Rechtsgutachten) bestimmt Al-Azhar maßgeblich soziale und ethische Belange von etwa einer Milliarde Sunniten. Unter Religionswissenschaftlern genoss Tantawi wegen seiner umfassenden Kenntnisse einen guten Ruf, obwohl viele Islamgelehrte mit ihm nicht einer Meinung waren. Im vergangenen Oktober löste er eine heftige Debatte aus, als er die Vollverschleierung muslimischer Frauen als "Tradition" bezeichnete, die in "keiner Verbindung zur Religion" stehe. Tantawi galt in Ägypten wegen seiner Nähe zu Präsident Hosni Mubarak, von dem er in seine Funktion eingesetzt wurde, als "Mann der Regierung".
Der Geistliche aus der oberägyptischen Provinz Sohag war 1986 zum Großmufti der Republik ernannt worden. 1996 wurde er 43. Al-Azhar-Großscheich als Nachfolger des verstorbenen Ali Gad al-Hak. Oberhaupt der Al-Azhar-Universität wird normalerweise der Großmufti von Ägypten. Der amtierende, Ali Gomaa, ist mit 59 Jahren deutlich jünger als Tantawi.
Tantawi der sich gegen Selbstmordattentate und für den Widerstand gegen die US-Besatzung im Irak ausgesprochen hatte, eckte bei seinen Landsleuten vor allem mit Kommentaren über die Bekleidungsvorschriften für muslimische Frauen an. 2003 brachte der Geistliche viele Ägypter gegen sich auf, als er erklärt, die französische Regierung habe das Recht, das Tragen von Kopftüchern in staatlichen Schulen zu verbieten. Im vergangenen Jahr löste er eine neue Kontroverse aus, als er eine Schülerin zwang, im Klassenraum ihren Gesichtsschleier abzunehmen.
Papst-Treffen vermieden
Ein Treffen mit Papst Benedikt XVI. vermied Tantawi, offenbar wegen der "Regensburger Vorlesung" des Papstes, dem er "Unkenntnis des Islam" vorwarf. In der Vorlesung während seines Bayern-Besuches hatte der Papst den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos (1350-1425) mit den Worten zitiert, der Prophet Mohammed habe "nur Schlechtes und Inhumanes" gebracht, "wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Das Zitat hatte zu heftigen Protesten in islamischen Ländern und zu Mordaufrufen gegen das katholische Kirchenoberhaupt geführt, das immer wieder betont hat, dass der Inhalt des Zitats nicht seine eigene Meinung ausdrücke.
2002 hatte Tantawi gemeinsam mit dem damaligen anglikanischen Primas und Erzbischof von Canterbury, George Carey, eine islamisch-christlich-jüdische Dialog-Konferenz in Alexandria organisiert. In der damaligen "Alexandria-Erklärung", die auch von dem israelischen Rabbiner und früheren Vizeminister Michael Melchior unterzeichnet wurde, war zu einer Verständigung zwischen den drei monotheistischen Weltreligionen und zu einem Ende der Gewalt im Nahen Osten aufgerufen worden. Im November 2008 hatte Tantawi in New York anlässlich einer UNO-Konferenz zum interkulturellen Dialog auch mit dem israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres eine Zusammenkunft. (APA/Reuters)