Wolfgang Pekny, Jahrgang 1956, studierte Chemie und Physik und war mehr als 20 Jahre lang Mitarbeiter von Greenpeace Österreich. Heute ist er Obmann der Initiative Zivilgesellschaft sowie Geschäftsführer der Plattform Footprint.

Foto: Maria Kapeller

Peknys persönlicher Fußabdruck liege bei ungefähr 3,8 - unter dem Durchschnitt der ÖsterreicherInnen, aber über dem theoretisch errechneten fairen Wert von 1,8: "Ich bin kein Selbstkasteier." Seine ökologischen Sünden seien ein zweiter Wohnsitz und die Autofahrten dorthin. "Ich wäre aber bereit, für Benzin mehr zu bezahlen." Seit vier Jahren verzichtet er auf's Fliegen und reist per Zug oder Schiff, was aber "unverschämt teuer" sei.

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Was kann jeder Einzelne tun, um seinen Fußabdruck zu verkleinern? Pekny: "Es gibt die fünf F's: Weniger Fliegen, Fleisch und tierische Produkte reduzieren. Beim Fahren mit dem Auto: langsamer, weniger und nie allein. Wohnen wie im Fass: klein, kompakt, in Wohngemeinschaften, um zum Beispiel Geräte zu teilen. Und ganz wichtig: Freude an einem nachhaltigen Lebensstil und darüber, nicht auf Kosten anderer zu leben."

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Der ökologischen Fußabdruck oder "Footprint" ist eine Messgröße für Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit unseres Lebensstils: Wenn man die gesamte ökologisch nutzbare Erdoberfläche durch alle auf der Welt lebenden Menschen dividiert, ergibt das eine Fläche von ungefähr 1,8 Hektar. Ein Stückchen Erde dieser Größe stünde theoretisch jedem Einzelnen für die Gestaltung seines Lebens, etwa mit Ernährung, Mobilität und Energieverbrauch, zur Verfügung. Allein der/die DurchschnittsösterreicherIn hat heute aber bereits einen Fußabdruck von ungefähr fünf Hektar.

Wolfgang Pekny, ehemaliger Greenpeace-Mitarbeiter, heute Obmann der Initiative Zivilgesellschaft sowie Geschäftsführer der Plattform Footprint, warnt im Interview mit derStandard.at: "Wir nehmen etwa 40 Prozent mehr Ressourcen in Anspruch, als die Erde uns zur Verfügung stellt: Wir leben auf Pump, unsere Bank ist die Natur." Der ökologische Fußabdruck sei eine Art Inventur auf der Welt. "Wie viele Ressourcen haben wir, wie viele brauchen wir? Wir müssen so leben, als hätten wir nur einen Planeten - das ist ziemlich schlau, denn wir haben nur einen", so Pekny.

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derStandard.at: Heizen, Autofahren, Fliegen, Billigware aus Fernost: Bei der Errechnung des individuellen ökologischen Fußabdruckes werden unter anderem Stromverbrauch, Verkehrsmittel und Einkaufsgewohnheiten mit einbezogen. Welche dieser Komponenten trägt am meisten zur Umweltbelastung bei?

Wolfgang Pekny: Der größte Brocken im individuellen Leben eines durchschnittlichen Österreichers ist die Ernährung, sie trägt mit fast einem Drittel zum Fußabdruck bei. Der nächstgrößte Brocken ist das Wohnen, der drittgrößte die Mobilität. 

derStandard.at: Warum macht die Ernährung fast ein Drittel des Fußabdrucks aus? Sind die vielen und langen Transportwege daran schuld?

Wolfgang Pekny: Das ist ein viel geglaubtes Vorurteil. Den größten Anteil macht die Landwirtschaft aus: Der Bauer verursacht in der Regel mehr als die Hälfte des Fußabdrucks von dem, was auf unserem Teller liegt. Das macht er natürlich nicht boshaft, sondern indem er energieintensive Dünger einsetzt und mit riesigen Traktoren fährt. Aber, allem voran, indem er Tiere hält, die aus zwei Gründen problematisch sind. Zum einen vernichten sie Energie: Ich muss acht Teile Energie in eine Kuh reinstecken, um einen Teil Energie in Form von Fleisch oder Milch heraus zu bekommen. Zum anderen haben Wiederkäuer wie Kühe, Schafe und Ziegen die Eigenschaft, dass sie Methan rülpsen und furzen. Diese Rülpserei und Furzerei der Rindsviecher ist kein kleiner kosmetischer Nachteil, sondern ein globales Problem. Die Viehwirtschaft verursacht weltweit in etwa so viel Treibhauseffekt wie der gesamte Transport weltweit, das sind rund 20 Prozent am Gesamtanteil.

derStandard.at: Welche Ratschläge geben Sie KonsumentInnen, um sich ökologisch verträglicher zu ernähren?

Wolfgang Pekny: Hier gibt es zwei Ansätze: Erstens müssen wir als KonstumentInnen unseren Nahrungsmix verändern, immerhin machen Fleisch und tierische Produkte 80 Prozent des Ernährungs-Footprints aus. Die gute Seite dieser Nachricht ist, dass auch schon eine bescheidene Reduktion des Fleischkonsums, zum Beispiel um ein Drittel oder die Hälfte, eine gewaltige Wirkung hat. Halb so viel Fleisch essen ist auch gesünder. Der zweite Schritt ist - vor allem bei pflanzlichen Produkten - auf zertifizierte Bioprodukte umzusteigen, weil diese Nahrungsmittel deutlich weniger Treibhausgase verursachen: weniger Dünger, weniger Pestizide, weniger große Traktoren.

Nach der Landwirtschaft setzt sich die andere Hälfte des Fußabdrucks bei der Ernährung aus hauptsächlich aus Verarbeitung und Verpackung zusammen: Es wird gekocht, geschält, gekühlt, eingedampft, transportiert.

Und auch darüber müssen wir uns im Klaren sein: In der Regel macht der Transport vom Supermarkt nach Hause auf das Sackerl Erdäpfel oder das Körberl Weintrauben gerechnet mehr Treibhauswirkung aus, als der gesamte Transport zuvor rund um die Welt. Wir lügen uns an, wenn wir ins Regal schauen und sagen: Das kaufe ich nicht, dass kommt aus Dänemark - das ist absolut nachrangig im Vergleich zur Frage, ob man mit dem Auto einkaufen gefahren ist. Es ist auch völlig wurst, woher die Erdbeeren kommen, wenn ich sie beim Einkaufen vergessen habe und deswegen extra noch einmal mit dem Auto in den Supermarkt fahre. Der Sündenfall ist die Extra-Fahrt.

derStandard.at: Sie raten zu mehr Gemeinschaftssinn, um beim Energieverbrauch einzusparen. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Wolfgang Pekny: Ein allgemeiner Tipp ist: Zu mehrt kochen, das braucht weniger Energie. Der Einzelhaushalt ist aus energetischer Sicht wahrscheinlich besser dran, wenn man sich ein Fertigprodukt in der Mikrowelle wärmt. Das gilt auch beim Autofahren: Nicht einmal der genialste Ingenieur kann den Verbrauch halbieren. Am meisten kann ich sparen, wenn ich jemanden mitnehme, das halbiert den Footprint pro Person. Auch die Singlewohnung ist eine Footprint-Falle, weil man alles extra hat: Waschmaschine, Geschirrspüler. Hier ist ein großes Umdenken erforderlich - was uns aber niemand erzählt, weil die Unternehmen davon leben, etwas zu verkaufen. 

derStandard.at: Welche Formen der Energiegewinnung sind sinnvoll, um beim Fußabdruck einzusparen?

Wolfgang Pekny: Alles, was direktes Sonnenlicht einfängt, natürlich Photovoltaik, die im Moment einen viel zu hohen Preis hat. Auch Gezeiten, Erdwärme, selbstverständlich Windkraftwerke, weil sie wenig Fläche brauchen.

derStandard.at: Der durchschnittliche Fußabdruck beträgt in Österreich ungefähr fünf Hektar pro Person. Wie sieht es in anderen Ländern, etwa in der energieverschwenderischen USA oder Schwellenländern wie Indien aus?

Wolfgang Pekny: Der Fußabdruck in den USA ist etwas doppelt so hoch wie in Österreich, in Indien beträgt er etwa ein Fünftel, also 0,8. Die Paradoxie ist: Die Welt könnte acht Milliarden Chinesen mit ihrem durchschnittlichen Lifestyle erhalten. Acht Milliarden Europäer bräuchten schon drei Planeten, acht Milliarden Amerikaner fünf Planeten. Das heißt: Die eigentliche Herausforderung liegt bei uns. Meine Latte ist ein global verträglicher Lebensstil, ein global ökologischer Imperativ: Meine Freiheit, zu tun und zu lassen was ich will endet dort, wo die Freiheit anderer dadurch begrenzt wird. Die Generation meiner Kinder ist die erste, die global denken muss - und wahrscheinlich auch die letzte, die es auch kann.

derStandard.at: Welche Industrieländer sind im Bezug auf den ökologischen Fußabdruck am vorbildhaftesten?

Wolfgang Pekny: Das sind zum Beispiel Mittelmeerländer, was auch mit ihrer weniger Fleisch lastigen Diät zu tun hat.

derStandard.at: Sie schlagen in einem Artikel die Einführung von Footprint-Zertifikaten vor: Verschwender müssten dann Sparsamen solche Zertifikate abkaufen. Eine reine Utopie? Wie realistisch ist diese Idee?

Wolfgang Pekny: Wie realistisch ist es, dass die Welt bald dreimal so groß ist wie sie jetzt ist? Das wäre nämlich notwendig, wenn wir weiter so wachsen. Es ist aber auf jeden Fall unrealistischer als die Vorstellung, dass wir jene Ressourcen, die da sind, fair auf alle Passagiere des Raumschiffs Erde aufteilen. Was heute utopisch klingen mag, wird in zehn, 15 Jahren schon im operativen Bereich sein. So war es ja auch mit unserer Vorhersage aus dem Jahr 1989, dass man einmal für C02 zahlen werden müsse - damals hat man uns den Vogel gezeigt, jetzt wird es realisiert. (Maria Kapeller, derStandard.at)