Wiener Neustadt - Der fünfte Tag im Wiener Neustädter Tierschützer-Prozess hat am Mittwoch mit einem Antrag der Verteidiger begonnen, ihren Mandanten die Benutzung von Laptops während der Verhandlung zu gestatten. Der elektronische Zugriff auf das Aktenmaterial wäre im Sinne der "Waffengleichheit" wünschenswert. Richterin Sonja Arleth wies dies unter Hinweis auf die Strafprozessordnung ab: Es gelte das Prinzip der mündlichen Verantwortung.

In der Folge wurde vor zahlreichen Zuschauern, die seit der Vorwoche dauernde Einvernahme des Erstangeklagten Martin Balluch fortgesetzt. Der Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) ist wie zwölf andere Aktivisten wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a StGB angeklagt. Sieben Personen davon werden auch andere strafrechtliche Handlungen wie Nötigung oder Sachbeschädigung vorgeworfen.

Missstände dokumentieren

Balluch wurde zu einem sichergestellten Werkzeug befragt, mit dem sich Türen ohne Beschädigung von Schlössern öffnen lassen. Ob das Eindringen in fremde Gebäude für ihn widerrechtlich sei, beantwortete der Beschuldigte nicht direkt. Es sei eher verhältnismäßig, um im öffentlichen Interesse Zu- bzw. Missstände in Tierfabriken zu dokumentieren.

Bekennerschreiben habe er nicht verfasst

Die im Strafantrag angeführten Bekennerschreiben habe er nicht verfasst, so Balluch. Die Richterin las diverse elektronisch verfasste "Anleitungen" im Zusammenhang mit Jagdsabotagen vor, wie man sich der Polizei gegenüber verhalten bzw. vor Gericht verantworten solle. Als Vereinsobmann habe er die Funktion eines Rechtsvertreters wahrgenommen, entgegnete der Angeklagte. Wieso habe er einen radikalen britischen Tierrechtsaktivisten als "alten Haberer" bezeichnet? Das sei ein "geflügeltes Wort", der Einsatz für Tierschutzanliegen schweiße einfach zusammen.

Graugänse vor Versuch im Konrad-Lorenz-Institut gerettet

Der Angeklagte hielt zu seiner nun bereits vier Tage dauernden Befragung fest, dass sich die Ermittlungen offenbar auf das Lesen von E-Mails beschränkten. "Fakten gibt es einfach nicht." Balluch verwies darauf, dass es etwa im Zusammenhang mit der Jagd-Kampagne kein Verfahren gegen den VGT gegeben habe und neun Zivilklagen gewonnen worden seien. Der VGT habe auch niemals eine SHAC-Kampagne (Stop Huntingdon Animal Cruelty) gemacht. Auf die Frage des Staatsanwalts, was SHAC sei, meinte Balluch, es sei der Name für eine Kampagne, die sich in 100 Ländern der Welt "an sich völlig legal" gegen Tierversuchsanstalten wende. Es sei sein ethisches Ideal, dass niemand mehr Tiere für Tierversuche züchtet oder tötet, betonte Martin Balluch vor Gericht in Wiener Neustadt. Eine VGT-Aktion beim Konrad-Lorenz-Institut in Grünau (Oberösterreich) bezeichnete er als friedliche, gewaltfreie Besetzung, weil damals ein "absurder" Versuch an Graugänsen geplant war. Die folgende Anklage wegen Hausfriedensbruchs habe mit Freispruch geendet.

Bekennerschreiben aus 2003 war Info-Mail

Immer wieder wurde am Mittwoch aus dem Fadinger-Forum zitiert, u.a. sprach die Richterin von einem Balluch-Bekennerschreiben aus 2003. Das sei lediglich ein Info-Mail gewesen, meinte der Angeklagte.

Staatsanwalt Wolfgang Handler zufolge habe der Angeklagte, der in den 1990er Jahren einige Zeit in England lebte und eigenen Angaben zufolge damals die Hälfte der britischen Tierrechtsaktivisten gekannt hätte, den - später inhaftierten - Gründer der ALF (Animal Liberation Front) als "Freund" bezeichnet. Das stimme nicht, so Balluch. Das habe er aber damals auf Einladung zu einem ORF-"Club 2" angegeben. "Um sich interessant zu machen?", fragte Richterin Sonja Arleth. Warum er dann 1997 aus Österreich zurückkehrte? "Aus Heimweh."

Erörtert wurden der Begriff der "konfrontativen Kampagne" und die Bedeutung des zivilen Ungehorsams. Balluch räumte ein, dass darunter auch Verwaltungsübertretungen und allenfalls auch strafrechtlich relevante Taten - minimalen Ausmaßes - fallen können.

Auf Vorhalt eines handschriftlichen Schreibens zu u.a. Jagdsabotagen erklärte Balluch, dabei habe es sich um Skizzen zu einem Vortrag vor Jus-Studenten an der Uni Wien zum Thema Tierrechte gehandelt. Handler verwies auch auf einen Vortrag eines schwedischen Aktivisten 2003 in Wien, zu dem dann zu lesen war, die "200 Zuhörer waren sich einig, dass es gerechtfertigt sei, das Gesetz zum Schutz der Tiere zu brechen und Sachbeschädigungen zu begehen." Das Zitat stammte offenbar aus den Nachrichten, meinte Balluch dazu. Auf "Fadinger" sei nichts verschlüsselt worden. Er selbst verschlüssle E-Mails, seit er die entsprechenden Programme kenne.

"Trainingslager"

Die Richterin befragte den Beschuldigten zur Formulierung einer Einladung zu "Trainingslagern", wonach man unter sich bleiben wolle, um "radikale Gedankengänge gefahrlos" zu diskutieren. Im Verfahren gehe es nur um radikale Gedankengänge, die nach seiner Auffassung in einer Demokratie erlaubt sein sollten, entgegnete Balluch. Seine Einvernahme dürfte wohl auch heute nicht abgeschlossen werden.(APA)