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Ramat Schlomo in Ostjerusalem, laut internationaler Diktion eine Siedlung im Westjordanland, laut israelischer ein Viertel Jerusalems. Ausbaupläne überschatten den Besuch Joe Bidens.

Foto: AP/Dan Balilty

Ein Bauprojekt überschattet den Israel-Besuch Joe Bidens

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Der Besuch, mit dem Joe Biden seine persönliche Freundschaft zu Israels Premier Benjamin Netanjahu und das besondere US-israelische Verhältnis zur Schau stellen wollte, wurde dem US-Vizepräsidenten durch eine Baukommission des israelischen Innenministeriums gründlich verdorben. Schlagartig wurde Dienstagabend ein Wohnungsprojekt in Ostjerusalem zum dominanten Thema, das auch Bidens gestriges Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas überschattete.

Israels Entscheidung "untergräbt das Vertrauen, das wir gerade jetzt brauchen, um fruchtbare Verhandlungen zu beginnen" , sagte Biden in Ramallah, "deshalb habe ich diese Handlung sofort verurteilt" . Abbas verlangte die Zurücknahme der Entscheidung, die "die Verhandlungen bedrohen" würde. Die Arabische Liga wollte in einer Krisensitzung darüber beraten, ob die eben erst erteilte Zustimmung zu indirekten Verhandlungen der Palästinenser mit Israel widerrufen werden soll.

Während Biden in Jerusalem sein Programm absolvierte, war bekanntgeworden, dass das Innenministerium den Bau von 1600 zusätzlichen Wohnungen im Viertel Ramat Schlomo bewilligt hatte. Die Zone gehört aus israelischer Sicht zum israelischen Staatsgebiet, aus palästinensischer Sicht ist sie Teil des Westjordanlands. Biden veröffentlichte sofort eine beißende Erklärung: "Ich verurteile die Entscheidung der israelischen Regierung" , hieß es darin, denn "sie läuft den konstruktiven Gesprächen zuwider, die ich hier in Israel geführt habe" . Dass Biden mit 90-minütiger Verspätung zum Abendessen mit Netanjahu erschien, wurde als schroffes Unmutssignal ausgelegt.

Rein technische Sache

Israelische Medien und Politiker sprachen gestern verlegen oder zornig von einem "unglücklichen Zeitpunkt" , einem "groben Fehler" oder gar einer "Ohrfeige" für Biden, die Israel politischen Schaden zufügen würde. Im Umfeld Netanjahus schien man überrascht, und auch der zuständige Innenminister Eli Jischai von der religiösen Schass-Partei versicherte, nicht gewusst zu haben, dass die Sitzung der Baukommission ausgerechnet für den Tag des Biden-Besuchs anberaumt war.

"Ich glaube, dass wir bei hochrangigen Besuchen der US-Regierung Feingefühl zeigen sollten" , sagte Jischai im Radio, "wir haben sicher kein Interesse daran, jemanden zu provozieren." Es habe sich allerdings um eine "bloß technische" , von Beamten erteilte Zwischenbewilligung gehandelt. Der Innenminister oder gar der Premier würden sich mit derartigen Angelegenheiten nie befassen. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, Printausgabe 11.3.2010)