Derzeit nicht nur auf Film präsent: Der lange Schatten des Udo Proksch ziert aus diesem Anlass auch eine Demel-Torte.

Foto: STANDARD / Cremer

Brutal sei er gewesen - und zärtlich. Kreativ und kriminell, ein "Menschenfänger" und ein "Robin Hood". Fotos zeigen ihn als Lebemann im Kreis schöner Begleiterinnen oder im Camouflage-Outfit bei Schießübungen, man sieht ihn vor Kameras philosophierend oder bei der Bewerbung jüngster Erfindungen.

Udo Proksch als einer, der sich zeitlebends zu entziehen wusste und dem dies auch noch posthum gelingt: So sieht ihn der Dokumentarfilm "Udo Proksch - Out of Control" von Robert Dornhelm. Schon der Titel betont den Aspekt des Unkontrollierbaren und deshalb auch Unfassbaren, auf den sich der Film in der Folge konzentrieren wird. Dornhelm kann auf rares Archivmaterial zurückgreifen: auf Fotos, Korrespondenzen, Filmdokumente oder auf die eigenen Filmversuche von Proksch an der Simplicissimus-Geschichte, samt Panzer und Degen.

Weiters hat Dornhelm Interviews mit einer illustren Reihe von Ex-Ehefrauen, Freunden, Zeitgenossen, Gegnern geführt: Daphne Wagner und Erika Pluhar, Niki Lauda und Ex-ORF-General Gert Bacher, die SPÖ-Politiker Bruno Aigner und Helmut Zilk, Staatsanwalt Peter Müller und noch etliche andere mehr sind im Film als Talking Heads zugegen.

"Udo Proksch" zeichnet so den Lebensweg eines Mannes, Jahrgang 1934, nach, der sich in spektakulären Selbstdarstellungen gefiel. Der sich in verschiedensten Metiers versuchte und meist reüssierte. Bis er schließlich 1990 wegen sechsfachen Mordes und Mordversuchs verurteilt wurde und die Jahre vor seinem Tod 2001 im Gefängnis verbrachte.

Manche Erinnerungen der Interviewpartner hat man nachgestellt. Animierte Sequenzen führen in der Manier der TV-Krimi-Serie "CSI" (oder des US-Dokumentaristen Erroll Morris) direkt in die elektrisierte Nervenzentrale des Udo Proksch. Einzelne seiner polternden Statements ("Wenn ich einen bescheißen kann, werde ich ihn bescheißen.") werden vor diesem Hintergrund wiederholt und betont. Zu einer Klärung trägt das allerdings nicht bei, vielmehr wirkt es beschwörend, arbeitet mehr am Mythos als an dessen Entzauberung.

Auch die Aussagen der Befragten, die in der Montage zunehmend verknappt und gewissermaßen ineinander verschränkt werden, laufen schließlich darauf hinaus, dass 20 Jahre nach Verurteilung kaum einer der Befragten sich eindeutig dazu äußern wollte, dass Proksch für den Untergang des Frachters Lucona und den Tod der Besatzung verantwortlich war.

Insgesamt bleibt "Out of Control" eher anekdotisch. Zu den teils unfassbaren - auch unfassbar einfältigen - und in jedem Fall sehenswerten Dokumenten und (Selbst-) Zeugnissen aus Prokschs Nachlass würde man sich die analytische Außenperspektive Unbeteiligter wünschen.

Jüngere Zuseherinnen und Zuseher werden sich dagegen vielleicht auch darüber wundern, wer da so viele so lange am Schmäh gehalten hat. (Isabella Reicher/ DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2010)