Die Grafik verdeutlicht: Der Anblick wandernder Balken (rechts im Bild) löst Aktivität im primären visuellen Kortex (V1, links oben im Bild) aus. Der Bildausschnitt links unten zeigt: Die Aktivität in V1 ist für den unerwarteten Test-Stimulus signifikant höher (braune Kurve) als für den erwarteten (blaue Kurve).

Grafik: Max-Planck-Institut für Hirnforschung

Frankfurt - Die Weiterleitung von Sinnesreizen ist keine Einbahn etwa vom Auge ins Gehirn. Das Gehirn versucht schon im Vorfeld, die Wahrnehmung erfahrungsgemäß vorherzusagen. Das berichten Hirnforscher aus Glasgow und Frankfurt in der Zeitschrift "Journal of Neuroscience". Den Ergebnissen ihrer Experimente zufolge spart das Gehirn durch diesen Trick Energie.

Um das herauszufinden, zeigten die Wissenschaftler ihren Versuchspersonen einen Bildschirm mit sich bewegenden kleinen Balken. Die funktionelle Kernspintomografie zeigte, dass der primäre visuelle Kortex dann am aktivsten war, wenn ein Balken aus dem erwarteten Bewegungsmuster ausbrach. "Wir schließen daraus, dass das Gehirn nicht einfach nur auf Signale aus den Sinnesorganen wartet. Stattdessen versucht es aktiv, mögliche Sinneseindrücke vorherzusagen", so Studienleiter Wolf Singer.

Gesteigerte Aktivität

Treffen die Vorhersagen des Gehirns zu, verarbeitet es die eintreffenden Informationen besonders effektiv und mit geringem Aufwand, wie durch die geringere Gehirnaktivität ersichtlich ist. Hat es sich geirrt - also im Falle von Überraschungen - steigt die Aktivität auf Hochtouren. "Das Gehirn möchte nicht überrascht werden. Folglich muss es seine Vorhersagen verbessern, welche Reize es zu erwarten hat. Die Suche nach der Ursache des Irrtums erfordert viel Arbeit", ergänzt Studien-Mitautor Arjen Alink.

Die Ergebnisse der Studie tragen erheblich zum Verständnis der Informationsverarbeitung unseres Gehirns bei. Denn bislang ging man davon aus, dass das Gehirn eher passiv auf optische Sinneseindrücke wartet und diese dann in eine Kaskade von Signalen umwandelt. Den Ergebnissen der Studie zufolge ist dies jedoch nicht der Fall: Das Gehirn muss sich vielmehr aktiv auf Sinneseindrücke vorbereiten, um sie schnell und mit geringem Aufwand bearbeiten zu können. (pte/red)