Wiesbaden - Anzahl und Art der im Darm lebenden Bakterien prägen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa maßgeblich. Nach neuen Erkenntnissen erlaubt die Zusammensetzung der Mikroben eine diagnostische Unterscheidung der beiden Krankheiten. Darüber hinaus ließe sich der Krankheitsverlauf einer Colitis ulcerosa durch gezielte Neubesiedelung des Darms mit bestimmten Bakterien günstig beeinflussen.
Die Rolle der im Menschen lebenden Mikroben für die Behandlung von inneren Erkrankungen ist eines der zentralen Themen des 116. Internistenkongresses, der vom 10. bis 14. April 2010 in Wiesbaden stattfindet.

Im Darm stehen sich Abwehrzellen und Bakterien in großer Zahl gegenüber: "Die Darmwand ist der Sitz des größten Immunsystems im menschlichen Körper", erläutert Kongresspräsident Jürgen Schölmerich von der Universität Regensburg. Im Darminneren befinden sich zehnmal so viele Mikroben, wie der gesamte menschliche Körper Zellen hat. Dies wirke sich entsprechend aus, wenn der Darm entzündet ist, so Schölmerich im Vorfeld des 116. Internistenkongresses.

Unterschiedlicher Verlauf

Etwa 320 000 Menschen in Deutschland sind von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) betroffen. Sie leiden schubweise unter starken Bauchschmerzen und Durchfällen, was sie im Alltag erheblich einschränkt. Im Verlauf unterscheiden sich die beiden Krankheiten: Bei Morbus Crohn erfasst die Entzündung die gesamte Darmwand und greift manchmal auf den Bauchraum über. Colitis ulcerosa bleibt meist auf die Schleimhaut beschränkt. "Die Beschwerden sind jedoch ähnlich, und uns fehlt bislang ein Instrument, die Erkrankungen einfach und ohne aufwändigere Untersuchungsmethoden am Patienten zu unterscheiden", sagt Professor Schölmerich.

Eine Stuhluntersuchung könnte hier in Zukunft hilfreich sein. Denn Forscher haben herausgefunden, dass die Erkrankungen die Zusammensetzung der Darmflora jeweils unterschiedlich prägen: Bei Menschen mit Morbus Crohn finden sich weniger Bakterien des Typs Faecalibacterium prausnitzii. Bei der Colitis ulcerosa dagegen tritt dieser Darmbewohner vermehrt auf. Hinzu kommt, dass bei einer Colitis ulcerosa über die entzündete Schleimhaut massenhaft weiße Abwehrzellen in die Exkremente übertreten. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, auch einen Einfluss der Bakterien auf die Symptome zu vermuten. Hierfür gibt es in der Tat Hinweise, berichtet der Experte: "Seit einiger Zeit behandeln wir Patienten mit Colitis ulcerosa nach dem Abklingen der Entzündung mit Präparaten, die einen bestimmten Stamm des Darmbakteriums E. coli enthalten. Studien haben gezeigt, dass dadurch neue Schübe der Entzündung hinausgezögert werden können."

Probiotika im Schub

Seit Kurzem gebe es Hinweise darauf, dass Probiotika auch im Krankheitsschub helfen könnten, die Entzündung zurückzudrängen. In einer Studie aus Indien wurden zum Beispiel günstige Wirkungen mit einem Präparat erzielt, das verschiedene Bewohner des gesunden Darms in größerer Menge enthält. Dies könnte eine Bereicherung für die antientzündliche Behandlung der CED sein und helfen, den Einsatz von Kortison und anderen Medikamenten einzuschränken. Noch sei jedoch abzuwarten, ob sich die Ergebnisse in weiteren Studien bestätigen. Neueste Erkenntnisse über Behandlung und Therapie chronischer Entzündungen diskutieren Experten auf dem 116. Internistenkongresses in Wiesbaden.