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Für Heiterkeit ist offenbar an allen Fronten der Uni-Debatte gesorgt. Hier ein studentischer Beitrag beim letzten "Hochschuldialog" .

Foto: apa/Jäger

Christoph Badelt hat am 10. März an dieser Stelle das absurde Theater der österreichischen Universitätspolitik in seiner ganzen Tragweite beschrieben. Ich kann diesen Bericht durch ein parallel gelagertes Stufendrama abrunden. Es geht quasi von der Nanostufe der "Weltkomödie Österreich" , nämlich Klagenfurt, aus, wobei diese Probebühne (nach Karl Kraus die "Versuchsstation des Weltuntergangs" ) als pars pro toto für die ganze Republik stehen kann.

Vorspiel auf dem Theater: Die Betreuungsrelationen in den österreichischen Psychologiestudien liegen bei 1:100 (ein Wissenschaftler auf hundert Studierende, ein Professor auf dreihundert Studierende). In Deutschland wurden sie in der letzten Dekade von 1:14 auf 1:10 verbessert (Jahresbericht der Deutschen Gesellschaft für Psychologie). Die Bedingungen waren bereits zu Beginn meines Psychologiestudiums, 1989, unfassbar, haben sich aber seitdem - u. a. durch das EuGH-Urteil zum freien Zugang auch für deutsche Studierende - noch versteilt. Manche Professoren "betreuen" fünfzig Diplomanden gleichzeitig (dazu ein, zwei Dutzend Dissertanten zum Drüberstreuen). Das macht aber nichts, weil Psychologie seit den 1970er Jahren als "Modestudium" gilt und sich das Problem von selbst lösen wird. Österreichische Universitäten sind "Weltklasse".

Erste Dramenstufe: BMWF-Generalsekretär Faulhammer äußert im offiziellen Gespräch im Juli 2009, er werde im Zuge der Leistungsvereinbarungen "Druck auf die Rektoren machen" , die Ausstattung der Massenfächer zu verbessern.

Zweite Dramenstufe: Das Rektorat der Universität Klagenfurt sieht im Entwicklungsplan 2010-2012 vier zusätzliche Habilitiertenstellen ("Associate Professors" ) vor. Diese würden die Betreuungsrelation auf 1:85 verbessern. Der Entwicklungsplan wird vom Senat positiv beschieden und vom Universitätsrat beschlossen.

Dritte Dramenstufe: Die Studierenden protestieren im Herbst 2009 gegen die prekären Studienbedingungen. Zugleich richtet sich der Protest auch gegen Zugangsbeschränkungen. Ziel ist die schrankenlose Ausfinanzierung des in Österreich angeblich verfolgten "freien Zugangs" .

Vierte Dramenstufe: Das Rektorat beschließt kurz vor Weihnachten, nicht vor die Schlichtungskommission zu ziehen, sondern den Entwurf der Leistungsvereinbarungen mit dem BMWF zu unterzeichnen. Die vier Psychologiestellen sind wieder futsch. Dies geschieht unter allseitiger Missachtung folgender universitätsgesetzlicher Bestimmungen:

§ 13 (Leistungsvereinbarungen) Abs. 2 Z 1 lit. d: "Maßnahmen zur Verringerung der Zahl der Studienabbrecher: Die Universität hat Erhebungen über die Ursachen von Studienabbrüchen vorzunehmen und Aktivitäten zur Verbesserung der Abschlussquoten bekanntzugeben. [...]"

§ 13 Abs. 2 Z 1 lit. e: "Verbesserung der Betreuungsrelationen: Es ist insbesondere unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des jeweiligen Faches eine Verbesserung der Betreuungsrelation mit dem Ziel anzustreben, internationale Standards in der Betreuung von Studierenden zu erreichen."

§ 20 Abs. 4: "Das Rektorat hat sicherzustellen, dass den Organisationseinheiten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Ressourcen zugewiesen werden."

Fünfte Dramenstufe: In Reaktion auf die kapazitätsorientierten Zugangsregelungspläne von Wissenschaftsministerin Karl erklärt die Wissenschaftssprecherin der Kanzlerpartei, Andrea Kuntzl, in einer Aussendung (und kurz darauf auch in einem "Veto" -Kommentar im Standard):, "Wir brauchen ganz sicher nicht mehr Hürden an den Universitäten, sondern [...] mehr gut ausgebildete junge Menschen in Österreich" . Unter Berufung auf das Regierungsübereinkommen "stellt sie klar" , dass Zugangsbeschränkungen nur "im Notfall eine befristete Option" sein dürften. Manche Angehörige der Massenfächer reagieren in Kenntnis der letzten 30 Jahre mit "rofl" (rolling on the floor laughing), andere brechen spontan in Tränen aus. Ausfinanzierung ante portas!

Sechste Dramenstufe: Vier Tage darauf präsentieren Kanzler und Vizekanzler das Sparprogramm für die kommenden Jahre. Unterrichts- und Wissenschaftsressort seien die Gewinner, da sie 2011 lediglich 1,3% ihres Budgets einsparen müssten. Dies sei der österreichische Beitrag zur Zukunftssicherung; andere Ressorts müssten drastischer sparen.

Letzte Dramenstufe (2011): Die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesregierung, macht in einem niederösterreichischen Novomatic-Casino mit einem Einsatz von 50 Cent den Automaten-Jackpot und gewinnt 100 Milliarden Euro. Die Dividenden werden immerwährend den Universitäten zuerkannt. Alles wird gut.
(Oliver Vitouch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.03.2010)