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Taxifahrer protestieren gegen einen Bus-Dienst für die WM. Nicht immer ist Angst um das eigene Geschäft die Motivation für Proteste: Viele sind enttäuscht.  

Foto: Reuters/Sibeko

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Uno-Berichterstatterin Raquel Rolnik kritisiert Südafrika und den Fußballbund Fifa.

Foto: AP/Di Nolfi

Präsident Jacob Zuma will Südafrika bei der Fußball-Weltmeisterschaft als stark und modern präsentieren.

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Kapstadt/Genf/Wien - Vor sportlichen Großereignissen hat Raquel Rolnik Hochsaison. Auf dem Schreibtisch der zierlichen Brasilianerin stapeln sich dann Berichte über die Schattenseiten der Megaevents. Beschwerdebriefe, Augenzeugenberichte und Reports von NGOs, Aktivistengruppen und Betroffenen schildern Fälle, in denen Menschen ihre Häuser verlassen müssen, um Platz zu schaffen für Stadien, Zufahrtsstraßen oder Parkplätze. Regierungen nutzten solche Ereignisse, um "innerstädtische Neuerungen" vorzunehmen - oft auf Kosten der Armen, sagte die UN-Berichterstatterin für das Recht auf Wohnen dem Standard. Südafrika gehört dazu.

85 Tage noch bis zur Fußball-WM, zählt der Countdown auf der Website des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma. Dann will das Land sich als modern und weltoffen präsentieren. Ein neues Afrika. Die Wellblechhütten der Slums an den Rändern der Großstädte passen da schlecht ins Bild.

Zum Beispiel Joe Slovo nahe der Autobahn, die den Flughafen Kapstadt mit den WM-Veranstaltungsorten am Kap verbindet. Diese Siedlung sollte zugunsten neuer Häuser und Wohnungen abgerissen werden, wie Rolnik auch in einem Bericht an den Menschenrechtsrat beschreibt. 20.000 Menschen mussten umgesiedelt werden - "sehr weit weg von diesem Ort" , so die Expertin.

Gebrochene Versprechen

Den Bewohnern sei versprochen worden, dass Ihnen über zwei Drittel der neuen Wohnungen zur Verfügung stehen würde, sagte Rolnik. "Aber als die ersten fertig waren, wurden sie den Bewohnern nicht angeboten - dann gab es Proteste, Konflikte."

Während die Uno-Beauftragte auch Ignoranz beim Fußball-Weltverband Fifa ortet, machen die Betroffenen nicht nur die Behörden von Kapstadt, sondern auch die nationale Regierung dafür verantwortlich. Für viele Bewohner der Armensiedlungen rund um die Städte haben sich die Hoffnungen zerschlagen, dass die WM eine Chance sein könnte, um Ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

Fast wöchentlich gibt es Proteste in Townships, weil der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) mit Zuma an der Spitze seine Versprechen über ein besseres Gesundheitssystem, Bildung und den Ausbau der Infrastruktur bisher nicht eingelöst hat. In Soweto bei Johannesburg blockierten vor einer Woche 1000 Menschen eine Zufahrtsstraße zum WM-Stadion, in der Woche davor waren die Proteste rund um die Stadt ausgeartet, ein Polizist wurde erschossen, Dutzende wurden festgenommen. Experten sprechen von einer Eskalation.

Präsident Zuma, der sich zurzeit im Nachbarland Simbabwe befindet, hat dagegen mit immer neuen Skandalen für Schlagzeilen gesorgt. Besonders in der Kritik steht der Polygamist mit drei Ehefrauen aufgrund seiner außerehelichen Affären. Als "beschämend" und "peinlich" bezeichneten Kommentatoren sein Verhalten.

Wie die Regierung am Dienstag mitteilte, kosteteten Zumas drei Ehefrauen und 20 Kinder im Vorjahr 15,5 Millionen Rand (1,5 Mio. Euro). Damit verdoppelte Zuma das Budget für präsidialen Familienunterhalt. Zumas Vorgänger Thabo Mbeki war noch mit acht Millionen Rand ausgekommen. Es sind auch solche Meldungen, die den Frust steigen lassen. Der Chef der ANC-Jugend ist jüngst wegen Hassreden verurteilt worden.

Hinter den Kulissen ist bereits ein Machtkampf ausgebrochen, es gibt Risse zwischen dem ANC und seinen Partnern, den Kommunisten und dem Gewerkschaftsbund Cosatu. Die Stimmen werden lauter, die Zumas Führungsposition in Frage stellen. Zuma selbst lässt sich davon jedoch nicht irritieren: Er ließ am Dienstag wissen, er sei offen für eine zweite Amtszeit. (Julia Raabe /DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2010)