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Premierminister Edogan will 100.000 illegale Armenier des Landes verweisen.

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Die tausend Jahre alte Akhtamar-Kirche im Osten der Türkei nach der Renovierung im Jahr 2007. Die türkische Regierung versuchte in jüngster Zeit die Beziehungen zu Armenien zu normalisieren.

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Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan hat die Auseinandersetzung mit den USA und anderen Ländern, deren Parlamente die Massaker an den Armeniern als Völkermord eingestuft haben, eskalieren lassen. In einem Interview mit dem türkischen Dienst der BBC, drohte er an, als Reaktion auf die Völkermordresolutionen könne es dazu kommen, dass bis zu 100.000 Armenier aus der Türkei ausgewiesen werden.

Erdogan macht in dem Interview als treibende Kraft hinter den Resolutionen die armenische Diaspora aus, die vor allem in den USA gut organisiert ist. Gegenüber der BBC sagte er, mit dieser Politik würden sich die Armenier vor allem selbst schaden. „Schauen Sie, in meinem Land leben etwa 170.000 Armenier. Davon sind 70.000 meine Bürger, die anderen 100.000 sind nur zeitweise in unserem Land", sagte Erdogan. „Was werde ich machen? Wenn es nötig ist, sage ich diesen 100.000: ‚Los, geht zurück in euer Land!‘ Warum? Sie sind keine türkischen Bürger. Ich muss sie nicht in meinem Land dulden".

Bei den fraglichen 100.000 Armeniern handelt es sich zumeist um Leute, die in den letzten Jahren über Georgien in die Türkei gekommen sind, um in Istanbul oder in den Touristenzentren am Mittelmeer zu arbeiten. Die meisten von ihnen haben keine offizielle Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, werden aber geduldet und in der Regel von der Polizei in Ruhe gelassen.

Goodwill-Politik beenden

Die türkische Regierung hat mehrfach gesagt - zuletzt noch EU-Minister Egemen Bagi im Interview mit dem Spiegel in dieser Woche - dass diese Haltung ein bewusstes Entgegenkommen der armenischen Bevölkerung gegenüber sei, durch die unterhalb der offiziellen Schwelle zivilgesellschaftliche Kontakte ermöglicht werden sollen und Armeniens darbende Wirtschaft indirekt unterstützt wird.

Schon vor der jetzt formulierten Drohung, diese Politik des Goodwill nun möglicherweise zu beenden, hatte die Regierung sowohl ihren Botschafter aus den USA als auch jenen aus Schweden zurückgerufen. Erdogan hat eine lang geplante Reise nach Stockholm bereits ausfallen lassen, und auch zu dem Nukleargipfel, zu dem USPräsident Obama für den 14. April etliche Staatschefs eingeladen hat, wird Erdogan nicht fahren.

Nach Auskunft des Sprechers des türkischen Außenministeriums, Selim Yenel, wird Botschafter Namik Tan auch nicht vor dem 24. April nach Washington zurückkehren, weil man bis dahin abwarten will, wie Obama sich äußern wird. Der 24. April ist der Tag, an dem Armenien offiziell des Völkermords gedenkt. Traditionell verfasst der US-Präsident aus diesem Anlass eine Botschaft an die armenische Gemeinde.

Normalisierung gefährdet

Bislang haben es alle US-Präsidenten vermieden, in dieser Botschaft explizit von Genozid zu sprechen, allerdings hatte Obama vor seiner Wahl angekündigt, sich als Präsident dazu zu bekennen.

Die Türkei sieht durch die Völkermordresolutionen die angestrebte Normalisierung mit Armenien gefährdet. Das Land will, dass sich eine internationale Historikerkommission der Streitfrage annimmt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2010)