Wien - Kein Dogma, dafür ewiger Reibebaum: der Zölibat. Kirchenkritiker sehen aktuell einen ursächlichen Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen und fordern die sofortige Abschaffung der "Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen". Dabei gibt es trotz gelobter und auch gelebter Enthaltsamkeit durchaus Priester innerhalb der römisch-katholischen Kirche, die nach getaner Arbeit am Altar hochoffiziell im Kreise ihrer Familie entspannen. Einer davon ist Gerhard Höberth, Kaplan der Pfarre Rudolfsheim in Wien. 28 Jahre Ehe und vier Kinder standen der Priesterweihe des 50-Jährigen durch Kardinal Christoph Schönborn am 15. Juni 2007 nicht im Weg.

Päpstlicher Zölibatsdispenses

Höberth wurde katholisch getauft, trat aber mit 18 Jahren aus der Kirche aus. Ein evangelischer Bibelkreis bewahrte den heutigen Kaplan vor einem Leben als Atheist. Insgesamt 15 Jahre lang fühlte sich Höberth bei den Protestanten heimisch, 2004 konvertiert ein Großteil der Familie. Und das Familienoberhaupt wird dank eines päpstlichen Zölibatsdispenses katholischer Priester.

Kein Zölibatsgegner

Ob er sich als Privilegierter im kirchlichen Männerverein fühle? Höberth: "Es ist sicher eine besondere Situation, und ich hatte großes Glück. Allerdings gibt es weltweit ja einige, und es werden mehr. Gerade jetzt unter den Anglikanern." Grundsätzlich sei er "kein Zölibatsgegner, sehr wohl sollte es aber auch für verheiratete Männer einen geregelten Zugang zum Priesteramt geben". Einen Zusammenhang zwischen den Missbrauchsfällen und dem Zölibat sieht der Spätberufene nicht: "Die meisten Fälle passieren außerhalb kirchlicher Einrichtungen." Die aktuelle Krise sieht der Kaplan auch als "reinigendes Gewitter".

Qualität hat sich verbessert

Höberth: "90 Prozent dieser Fälle liegen ein paar Jahrzehnte zurück. Das ist eine andere Priestergeneration gewesen. Wir reden von einer Zeit, in der sehr viele Männer Priester geworden sind, und da waren auch sehr viele darunter, die aus fragwürdigen Motiven Priester geworden sind. Heute sind es weniger, aber die Qualität hat sich deutlich verbessert."(Markus Rohrhofer, DER STANDARD Printausgabe 18.3.2010)