Die IE9-Preview ist ausschließlich als Vorschau für neue Technologien gedacht, klassische Browserelemente fehlen entsprechend vollständig.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Deutliche Fortschritte macht der IE9 im ACID3-Test, im Verlauf der Entwicklung will man bei der Punktzahl noch weiter zulegen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die IE9-Preview zeigt erhebliche Fortschritte bei der Performance (im Screenshot allerdings fälschlicherweise als IE8 ausgewiesen).

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Ein eindrücklicher Test der neuen Fähigkeiten des IE9 ist eine interaktive Wahlgrafik.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die "Flying Images" zeigen die schnelle Verarbeitung von Grafiken im IE9 - dank der Direct2D-Anbindung.

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Ebenfalls unter den Microsoft-Demos sind die SVG-Oids, ein Asteroids-Clone, der vollständig mit SVG-Grafiken geschrieben ist.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die "Falling Balls" demonstrieren die Möglichkeiten SVG-Grafiken per Javascript zu manipulieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch die Entwicklungstools hat man für den Internet Explorer 9 erweitert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Kurz nach dem Jahrtausendwechsel war die Browser-Welt am Höhepunkt der Microsoft-Dominanz angekommen: Im ersten großen "Browserkrieg" hatte man der Konkurrenz - allen voran dem Netscape Navigator - ganz gehörig den Schneid' abgekauft, der Internet Explorer sich in Folge zum einsamen Dominator aufgeschwungen. Mozillas Versuche, einen Open-Source-Nachfolger für die Browser/Mail-Site von Netscape zu etablieren, wollten damals auch noch nicht so recht fruchten, eine Situation, die bei Microsoft zu einer für die späteren Jahre fatalen Fehlentscheidung führen sollte. Denn statt den IE - und damit auch das Web - aktiv weiterzuentwickeln, ruhte man sich auf den eigenen Lorbeeren aus und löste das Browser-Entwicklungs-Team in weiten Teilen auf.

Aufwachen

Ein Dornröschenschlaf, aus dem man Ende 2004 dann recht abrupt gerissen wurde: Mit der Veröffentlichung von Firefox 1.0 war plötzlich ein neuer Herausforderer im Spiel, der rasch die Popularitätsskala hinaufkletterte und den damals aktuellen Internet Explorer 6 mit jedem neuen Update reichlich alt aussehen ließ. Nachdem die ersten Prozentpunkte zum Mozilla-basierten Konkurrenten gepurzelt waren, schrillten bei Microsoft schließlich doch noch die Alarmglocken, das Browser-Team wurde eilig wieder zusammengestellt und mit der Entwicklung des Internet Explorer 7 begonnen.

Anteilig

Doch wie sehr man sich auch bemühte, der IE7 - und in weiterer Folge auch der IE8 - konnten die kontinuierliche Erosion des Marktanteils bestenfalls verlangsamen. So präsentiert sich der aktuelle Browsermarkt heterogener denn je zuvor: Auch wenn der IE weltweit bei der Verbreitung noch immer die Nase vorne hat, in einigen Ländern hat ihm der Firefox bereits diesen Rang abgelaufen, dazu kommt ein derzeit rasch aufstrebender Google Chrome und Apples Safari, der im Gleichschritt mit dem Marktanteil von Mac OS X ebenfalls kontinuierliche Gewinne verbuchen kann.

Heterogen

Eine Vielfalt, die das Web in den letzten Jahren erheblich vorwärts gebracht hat, zahlreiche neue Webstandards wurden etabliert und von Firefox, Chrome und Co. rasch implementiert. Mit all dem soll nicht nur die Web-Entwicklung zunehmend vereinheitlicht - und so vereinfacht - werden, mit den neuen Möglichkeiten - in Kombination mit einer in vielen Bereichen gesteigerten Performance - sollen Web-Anwendungen zunehmend die gewohnte Funktionalität von herkömmlichen Desktop-Programmen erreichen, dies natürlich mit all den typischen Vorteilen, die sich durch die Nutzung in der "Cloud" ergeben.

Wiederkehr

Dieser Vision steht allerdings noch eine nicht unbedeutende Hürde im Weg: Auch in der aktuellsten stabilen Version 8 hinkt der Internet Explorer dem Mitbewerb in praktisch jeder Hinsicht hinterher - sei es bei der Performance, sei es bei der Unterstützung aktueller Webstandards. Doch damit soll nun endgültig Schluss sein: Im Rahmen der eigenen EntwicklerInnenkonferenz Mix hat Microsoft vor kurzem eine Tech-Preview des Internet Explorer 9 veröffentlicht, die einen ersten Vorgeschmack auf die kommende Generation des Browsers geben soll - und dabei durchaus Anlass zur Freude geben kann, soviel sei vorab verraten.

Realitäten

Denn offenbar hat man bei Microsoft mittlerweile zur Kenntnis genommen, dass der IE - trotz seiner großen Verbreitung - nicht länger die Entwicklung im Web treibt. Statt dessen passt man sich dieser "neuen Weltordnung" im Browserbereich an und macht den IE9 zum ersten Browser dieser "Post-IE-Ära" - einer in der offene Standards statt proprietäre, Browser-spezifische Lösungen die Weiterentwicklung des Webs bestimmen.

Offenheit

Nichts könnte diesen Umstand wohl deutlicher zum Ausdruck bringen, als eine der zentralen Neuerungen des IE9: Mit SVG 1.1 unterstützt man künftig den offenen Vektorgrafikstandard, ein Schritt, den man in den Vergangenheit immer wieder strikt abgelehnt hatte. Dass dies eine Anpassung an vorhandene Realitäten ist, gibt man bei Microsoft in sonst nicht immer gewohnter Offenheit zu, immerhin unterstützt ein steigende Anzahl von Anwendungen SVG, ein Umstand, den man nicht länger ignorieren könne - so die Argumentation. Doch nicht nur das: Künftig will man von der Nutzung der eigenen Vector Markup Language (VML), die bislang von vielen Seiten - darunter etwa Google Maps - als Ersatz für SVG beim Internet Explorer genutzt wurde, abraten. Passend dazu hat Microsoft auch bereits einen eigenen Migration Guide veröffentlicht, der den Umstieg auf SVG detaillieren soll. Damit soll die schon seit 1998 nicht mehr weiter vorangetriebene VML endgültig in Pension geschickt werden, Web-EntwicklerInnen freuen sich jedenfalls schon mal über die Aussicht darauf, in der Zukunft dann mal einen mühsamen Sonderfall weniger bedienen zu müssen.

Fehlendes

Die aktuelle Preview ist in dieser Hinsicht allerdings wirklich nur als erster Vorgeschmack zu verstehen, vieles des mit SVG 1.1 spezifizierten ist derzeit noch nicht vollständig implementiert, so dass bestehende SVG-Grafiken nur selten wirklich korrekt angezeigt werden. Fertig ist man derzeit eigentlich nur mit der Umsetzung der grundlegenden Formen ("Basic Shapes") und der "Pfade", bis zur fertigen Version von IE9 will man hier allerdings noch gehörig nachbessern. Dies jedoch mit der einen oder anderen Ausnahme: So gibt es laut Microsoft derzeit keine Pläne SVG-Fonts zu implementieren, hier hält man die verbreiteten Truetype-Schriften für ausreichend.

CSS3

Doch auch jenseits von SVG soll der IE9 einen erheblichen Schub bei der Unterstützung von aktuellen - und kommenden - Webstandards bieten. So führt schon die Preview neben einem stark ausgebauten Support für das Document Object Model (DOM2 und DOM3 werden weitreichend abgedeckt) auch zahlreiche neue Layout-Element aus CSS3 ein, darunter etwa runde Rahmen oder Animationen. Wie sehr sich der CSS-Support beim Microsoft-Browser allgemein verbessert hat, lässt sich auch am Selectors Test von CSS3.info ablesen: Während sich der IE8 hier noch mit 349 bestandenen Tests zufrieden geben muss, erreicht der IE9 bereits die volle Punktzahl (578), andere Browser absolvieren diesen Benchmark schon länger fehlerlos.

ACID3

Erhebliche Fortschritte zeigt der IE9 auch beim ACID3-Webstandard-Test, wo der IE8 noch mit mageren 12 Punkten auskommen muss, erreicht die Preview immerhin schon 55 Zähler. Freilich erzielt hier beinahe die gesamte Konkurrenz schon die volle Punktzahl (100) oder kommt zumindest wesentlich näher heran - die Firefox 3.7 Vorversionen liegen momentan etwa bei 96 Punkten. Bei Microsoft verspricht man insofern auch, dass der eigene Wert im Verlaufe der IE9-Entwicklung noch deutlich nach oben gehen wird, auch wenn man umgehend betont, dass dies nicht das eigentliche Ziel sei. Immerhin gehe es um die korrekte Implementation von Webstandards und nicht darum trickreich irgendeinen Benchmark zu bestehen, argumentiert man nicht ganz zu Unrecht, hatten einige Browser-Hersteller doch in der Vergangenheit schon mal geschummelt um ACID3 fehlerfrei zu bestehen.

HTML5 Video

Mit dem IE9 will Microsoft auch weite Teile des - derzeit noch gar nicht endgültig verabschiedeten - HTML5 implementieren. Dabei erfreut etwa, dass man sogar HTML5-Video-Support verspricht, entsprechende Web-Videos sollen in Zukunft also Browser-übergreifend ganz ohne installiertem Flash betrachtet werden können. Zumindest theoretisch, denn der Teufel liegt hier wieder einmal im Detail: Microsoft will nämlich nur das proprietäre H.264-Codec unterstützen, bei Mozilla und Opera setzt man hingegen auf das freie Ogg-Theora - eine verfahrene Situation, die den weiteren Erfolg von HTML5-Video massiv behindert. In der aktuellen Preview ist davon aber ohnehin noch nichts zu bemerken, das entsprechende Feature soll erst mit einer späteren Testversion folgen.

Vermisste Funktionen

Selbiges gilt auch für den HTML5-Web-Storage-Support, der die standardisierte Offline-Nutzung von Online-Anwendungen ermöglichen soll. Gleichzeitig gibt es aber auch manch neuen Webstandard, bei dem sich Microsoft weiterhin zurückhalten will: Eine Implementation des bei anderen Browsern üblichen Canvas-Support zur Manipulation von 2D-Grafiken sei derzeit nicht geplant, hieß es am Rande der IE9-Vorstellung (anderslautende Berichte haben sich als pure Spekulation herausgestellt). Ein klare Ablehnung gibt es zudem für WebGL, das eigentlich für die Nutzung von 3D-Grafiken im Browser gedacht ist, Microsoft sieht dafür aber offenbar keine Notwendigkeit.

Speed

Ein unübersehbarer Schwerpunkt der Browser-Entwicklung der letzten Jahre war - und ist - zweifelsfrei die Performance-Optimierung, und auch hier will der Internet Explorer mit der kommenden Release wieder konkurrenzfähig werden. So hat man dem IE9 eine neue Javascript-Engine namens "Chakra" spendiert, die vor allem dank zweier Faktoren Top-Werte liefern soll: Einerseits kommt hier nun - wie bei der Konkurrenz auch - ein Just-in-Time-Compiler zur Speed-Optimierung zum Einsatz, darüber hinaus wird der kompilierte Javascript-Code bei Multicore-Rechnern auf einen eigenen Kern ausgelagert.

Javacript

Und auch wenn Chakra laut Microsoft derzeit noch einiges an Optimierungspotential bietet, so können sich die ersten Benchmarks bereits durchaus sehen lassen, vor allem im Vergleich zum direkten Vorgänger zeigen sich im Sunspider-Benchmark massive Fortschritte: Wo der IE8 auf dem Testrechner noch 10.195,4 ms braucht, absolviert der IE9 die selben Aufgaben in 1.634,8 ms. Allerdings sei nicht verschwiegen, dass sowohl Firefox 3.7 Alpha (1.605,6 ms) als auch Google Chrome 5.0.342.5 (1009,4 ms) hier noch einen Tick schneller sind.

Benchmark

Ähnliche Ergebnisse liefert auch der V8-Benchmark von Google: Während der IE8 dabei dermaßen langsam ist, dass der Browser zwischenzeitlich gar den Abbruch des Skripts anbietet und schlussendlich die magere Ausbeute von 38 Punkten erzielt, erreicht die IE9-Preview bereits 317 Zähler. Damit auch mehr als Firefox 3.7 Alpha (257) oder Opera 10.50 (282), Google Chrome spielt - beim eigenen Benchmark wenig überraschend - hingegen in einer eigenen Liga (2013).

Direct2D

Der zweite großer Browser-Bereich, der einer Generalsanierung unterzogen wurde, ist jener der Grafikengine, verwendet man hier doch nun Direct2D und DirectWrite als Backends, sprich: Alles soll durch die Hardwarebeschleunigung der Grafikkarte erheblich flotter werden. Mit einer Reihe von Demos führt Microsoft den dadurch entstehenden Performanceschub recht eindrucksvoll vor: Sei es ein Mini-Asteroids-Spiel aus SVG-Grafiken oder das Heranzoomen auf Satellitenbilder - alles im Vergleichstest beim IE9 wesentlich flotter als bei den Mitbewerbern. Während dafür vornehmlich Direct2D verantwortlich zeichnet, soll der DirectWrite-Support vor allem die Qualität der Schriftendarstellung verbessern, etwa das durchaus sichtbare Fortschritte zeitigt.

Ausblick

Allerdings sei darauf hingewiesen, dass bis zur Veröffentlichung der fertigen Version von Internet Explorer 9 andere Browser wohl ebenfalls bereits mit Direct2D- und DirectWrite-Support aufwarten werden. So hat etwa der Firefox 3.7 in den Nightly-Versionen diese Möglichkeiten bereits integriert, wenn auch derzeit noch von Haus deaktiviert. Werden diese Funktionen nachträglich eingeschalten, kommt der Mozilla-Browser wesentlich näher an die IE9-Grafikperformance heran, bzw. überholt diesen sogar in einzelnen Tests. Allgemein leiden die von Microsoft präsentierten Demos etwas darunter, dass sie lediglich jene Bereiche herausstreichen, in denen der Internet Explorer 9 wirklich gut abschneidet, bei einer Reihe von intern ebenfalls vorhandenen, weniger positiven Tests hat man laut US-Medienberichten von der Veröffentlichung abgesehen.

Vergleiche

Etwas aussagekräftiger da schon ein Blick auf den unabhängigen Peacekeeper-Benchmark, der versucht unterschiedlichstes Browser-Bereiche - von der DOM-Performance über Javascript bis zur Grafik-Engine - abzufragen: Hier erreicht der IE9 Preview 919 Punkte und damit erheblich mehr als der IE8 (317). Chrome (1890), Opera (1608) und Firefox (1481) haben aber weiterhin klar die Nase vorne. Der Dromaeo DOM-Core-Benchmark konnte beim IE9 nicht durchgeführt werden, da die IE9-Preview diesen - wie auch der IE8 - mit einer Fehlermeldung abbricht.

Vermischtes

Eine weitere Neuerung im Internet Explorer 9 ist das integrierte Farbmanagement und zwar ICC2 und ICC4, der Vorgänger konnte weder noch, die Konkurrenz beschränkt sich meist auf ICC2. Zusätzlich soll der Browser künftig auch direkt mit TIFF- und JPEG-XR-Bildern umgehen können, letzteres ist ein von Microsoft selbst erschaffenes Format, das vor allem für hochauflösende Fotos gedacht ist.

Kein vollständiger Browser

Herausgestrichen sei, dass die jetzige Preview einzig und allein als Technologievorschau gedacht ist, entsprechend handelt es sich dabei auch um keinen vollständigen Browser, klassische Benutzungselemente wie die Navigation oder der URL-Bar fehlen hier vollständig. Was Microsoft für den User-Interface-Bereich des IE9 vorhat, wird sich also wohl erst mit einer späteren Testversion herausstellen.

Download

Die Internet Explorer 9 Preview kann kostenlos bei Microsoft heruntergeladen werden, die Software installiert sich parallel zum bestehenden Internet Explorer. Als Betriebssystem werden dabei ausschließlich Windows Vista und Windows 7 unterstützt, einen Support für Windows XP soll es hingegen auch künftig nicht geben. Dies hat den simplen Grund, dass DirectWrite und Direct2D nun eine zentrale Rolle beim Browser einnehmen, beide sind aber unter XP nicht verfügbar, nicht nur deswegen wohl eine nachvollziehbare Entscheidung von Seiten des Softwareherstellers.

Updates

In Zukunft will Microsoft rund alle acht Wochen neue Updates für die Preview veröffentlichen, ein Schritt mit dem man die Entwicklung weiter öffnen will - auch in Hinblick auf das Feedback der NutzerInnen. Im Vergleich zu anderen Browsern, die oftmals täglich neue Testversionen anbieten, ist das zwar noch immer ein recht langer Zeitraum, für Microsoft jedoch zweifelsfrei ein erheblicher Fortschritt.

Fazit

Die erste Preview des Internet Explorer 9 zeigt bereits einiges an Potential, vor allem die offensive Unterstützung von aktuellen Webstandards (mit der unerfreulichen Ausnahme der Ignorierung von Canvas und WebGL) sowie die massiven Performance-Optimierungen lassen hier allgemein auf eine bessere Browser-Zukunft hoffen. Immerhin profitiert das ganze Web davon, wenn alle relevanten Browser die selben Standards unterstützen, und diese so auch tatsächlich genutzt werden können. Doch auch wenn die Basis nun bereits gelegt ist, hat Microsoft noch einige größere Herausforderungen vor sich, nicht zuletzt jene, den Release-Prozess der eigenen Software so zu beschleunigen, dass der Internet Explorer 9 bei seinem Erscheinen dann im Vergleich zur in diesem Bereich wesentlich agiler agierenden Konkurrenz nicht schon wieder veraltet ist. Wann der IE9 schlussendlich als fertige Release freigegeben wird, steht derzeit noch vollständig in den Sternen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 21.03.10)