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In Paris geraten die Hooligans regelmäßig außer Kontrolle. Auch nach dem Spiel gegen Marseille kam es zu Ausschreitungen

Foto: Reuters/Fuentes

Yann L., auch bekannt als der dicke Yann, starb im Fronteinsatz. Er nahm teil an einem Angriff seiner Sturmtruppe, verlor aber im Schlachtgetümmel den Kontakt mit ihr. Nach Berichten seiner Mitstreiter wurde der 37-Jährige regelrecht "gelyncht" , an jenem 28. Februar im Parc des Princes bei einem Heimspiel von PSG gegen Olympique Marseille. Unter anderem mit einem Hirnödem ins Spital eingeliefert, vegetierte der Fußballfan im Koma, bis er in der Nacht auf Donnerstag seinen letzten Atemzug tat.

Yann L. gehörte zum "Kop de Boulogne" , einem militanten PSG-Fanklub rechtsextremer Neigung. Die nur selten kahlrasierten Mitglieder stammen aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Parc des Princes, dem vornehmen Pariser 16. Stadtbezirk. Früher nannten sie sich "Boulogne Boys" ; dieser Verein wurde aber 2008 amtlich aufgelöst, weil er die Gegner aus dem nordfranzösischen Lens auf einem riesigen Transparent als "Pädophile, Arbeitslose und Inzüchtler" begrüßt hatte. Zwei Jahre vorher war ein Boulogne-Boy von einem als "Drecksneger" beschimpften und körperlich bedrängten Polizisten erschossen worden, der einen israelischen Fan von Tel Aviv gegen den Mob schützte.

Noch lieber als Juden, Schwarze oder Marseille-Fans knöpfen sich die Boulogne-Kops Anhänger des eigenen Klubs vor: Seit Jahren liefern sie sich mit dem gegenüberliegenden Fanklub im Prinzenpark blutige Kämpfe. Diese Auteuil-Tribüne besteht vor allem aus Jugendlichen der Pariser Vorstädte und Immigrantenviertel. Sie ist nicht rein weiß wie "Boulogne" , sondern kosmopolitisch, antirassistisch und vor allem anti-Boulogne.

Früher stark in der Minderheit, geben die Auteuil-Boys heute gern zurück, wenn ihnen vom anderen Stadionende beleidigende Schlachtgesänge und Affenschreie herüberwehen. Oft ist das Match der hochbezahlten, aber mäßig erfolgreichen PSG-Stars nur das Vorspiel. Danach vereinbaren die harten Kerne von Boulogne und Auteil Ort, Zeit und Mannschaftsstärke für eine Massenkeilerei mit bloßen Fäusten. Die Marseille-Fans, wahrlich auch keine Chorknaben, hatten von einem neuen "Fight" gehört und waren am 28. Februar gar nicht erst nach Paris gekommen. Umso herzhafter prügelten die beiden PSG-Flügel aufeinander ein. Gegen die Hooligans waren 1500 gut ausgerüstete Polizisten nicht viel mehr als Statisten.

Der Soziologe Nicolas Hourcade führt den Bruderkrieg im PSG darauf zurück, dass Paris im Unterschied zu Metropolen wie London oder Madrid nur einen Stadtklub habe. Nicht einmal der Tod eines Ultras im Jahr 2006 vermochte die Lage zu beruhigen. Die Direktion des PSG hat einiges unternommen; bei Auswärtsspielen werden vielen Fans keine Tickets verkauft, denn dort sind die Boulogne- und Auteuil-Kops nicht einmal durch Tribünen getrennt. Das nützt aber auch nicht viel.

Wenige Stunden nach dem Ableben von Yann L. kündigte Innenminister Brice Hortefeux "starke Initiativen" an, damit auch "Familien" wieder Fußballspiele besuchen könnten. "Ich will die, die ich Stadionschurken nenne, außer Gefecht setzen." Er habe 662 Fans mit einem Stadionverbot belegt, und der PSG werde die drei nächsten Spiele ohne Zuschauer austragen müssen, ergänzte Hortefeux, der enger Vertrauter von Präsident Nicolas Sarkozy ist.

Vor dem zweiten Durchgang der Regionalwahlen am Sonntag wirft die Linksopposition Sarkozy und Hortefeux vor, sie benützten den Fußballtod, um mit dem Thema Sicherheit auf Stimmenfang zu gehen. Das Problem liege eher darin, dass die PSG-Leitung, die der Sarkozy-Partei UMP nahesteht, die ethnischen Spannungen in den Tribünen zu lange verdrängt habe. Jetzt sei es zu spät. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD Printausgabe, 19.3.2010)