
Man stelle sich vor, folgende Aussage kommt von einem österreichischen VP-Minister: "Ein 18-jähriger Armenier, Klassenbester, wird abgeschoben, weil seine Eltern bei der Einreise vor 15 Jahren falsche Angaben gemacht haben. Das ist doch Wahnsinn! Wir brauchen jeden guten, integrierten, Deutsch sprechenden, qualifizierten, jungen Menschen." Der Politiker, der solches sagt und schreibt, ist Armin Laschet, seit 2005 Deutschlands erster Integrationsminister im mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen - ein CDU-Politiker.
Laschet räsoniert in seinem Buch nicht nur über Politik, sondern führt auch konkrete Beispiele an. Er plädiert für einen neuen Begriff: Statt Menschen mit Migrationshintergrund sollte von Deutschen mit Zuwanderungsgeschichte gesprochen werden.
Sein Buch ist eine überraschend schonungslose Analyse der Versäumnisse von CDU/CSU in diesem Politikfeld. Laschet spart nicht an Kritik an CSU-Größen wie Franz Josef Strauß und Friedrich Zimmermann sowie dem späteren CDU-Innenminister Manfred Kanther, der sich geweigert hat, "Ausländerpolitik auch als Integrationspolitik zu begreifen". Laschet konstatiert ein "strukturelles Versagen unseres Landes" im Integrationsbereich. "Der Glaube, Integrationspolitik sei überflüssig, war kollektive Realitätsverweigerung." Er stellt sich damit gegen die nicht nur in Deutschland weitverbreitete Meinung, es mangle Zuwanderern generell an Integrationsbereitschaft.
Gleichzeitig warnt der bekennende Katholik vor einem naiven Multikulti-Verständnis und setzt das dagegen, was in Nordrhein-Westfalen umgesetzt ist: verpflichtende Sprachtests für Vierjährige und Deutschförderung im Kindergarten.
Seine Forderung: Deutschland brauche eine neue Mentalität, die jedem - unabhängig von seiner Herkunft - Aufstieg ermögliche. "Die demografische Entwicklung und der Mangel an qualifizierten Fachkräften machen Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte notwendig." Laschet fordert eine "dritte deutsche Einheit" nach der Eingliederung der Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Wiedervereinigung 1990.
Auch wenn der studierte Jurist im Bildungsbereich oder bei der Frage, wie mit integrationsunwilligen Minderheiten umgegangen werden soll, Antworten schuldig bleibt, so ist ihm ein Buch gelungen, das zeigt: Es gibt konservative Politiker, die Zuwanderung als Chance und nicht nur als kriminellen Akt und Bedrohung sehen - zumindest in Deutschland. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.3.2010)