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Einen Tag schmückte das Schild "na Koroško" die Hinweistafel "nach Kärnten" auf der Südautobahn.

Foto: APA/Roland Schlager

Unmittelbar nach der Auffahrt auf die Südautobahn (A2) weist ein Schild den Autofahrern den Weg. "Nach Kärnten", so eine freundliche Tafel, weiße Schrift auf sanft grünem Hintergrund. Etwas unvermittelt und einsam wirkt sie, immerhin sind es bis Kärnten noch rund 350 Kilometer. Im Februar 2006 montierten "Unbekannte" eine weitere Hinweistafel: "na Koroško".

Was es mit dieser Aktion auf sich hatte und warum mehr Menschen den Mut aufbringen sollten, aufzumucken und sich querzulegen, erklären die beiden "Täter" Barbara R. und Richard L. (Namen der Redaktion bekannt) im derStandard.at-Interview.

derStandard.at: Sie beide haben vor ziemlich genau vier Jahren auf der Südautobahn unter das Schild "nach Kärnten" ein weiteres montiert – auf Slowenisch. Was hat Sie dazu bewogen?

Barbara R.: Lust. Ich bin hundert Mal an diesem Schild vorbeigefahren und habe mich gewundert. Es steht ziemlich unmotiviert in der Landschaft, denn zuerst fährt man durch Niederösterreich, dann durch die Steiermark.

Richard L.: Außerdem gebe ich zu bedenken: Wo gibt es ein Schild mit dem Hinweis nach einem Bundesland? "Nach Triest" wäre plausibler, fährt man doch über die Triester Straße Richtung A2.

derStandard.at: Einen Monat zuvor hat der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider mit seinen Ortstafelverrückungen für Aufregung gesorgt.

R: Ich fand die Aktion von Haider – gelinde gesagt – eklig. Trotzdem ist das Schild mehr künstlerisches Statement, als politisches. Wir wollten eigentlich nur etwas hinstellen, diskutieren sollten die anderen. Ein Schild bietet keine Lösung an, sondern eine Verdichtung des Themas. Anders gesagt: Überhöht man ein Problem ein bisschen, gibt man es auch einer gewissen Absurdität preis. Und die Absurdität liegt auf der Hand, wenn man Jahrzehnte nach Unterzeichnung eines Staatsvertrags immer noch nicht fähig oder willens ist, Teile davon umzusetzen.

derStandard.at: Wer wusste zum Zeitpunkt der Aktion von Ihrem Vorhaben?

R: Niemand.

L: Die ganze Sache war eher ein Zufall. Barbara und ich lernten uns über einen Job kennen, gründeten die "Arbeitsgemeinschaft gegen das Brettl vor dem Kopf", diskutierten recht viel und hatten dann die Idee. Das Verkehrsschild war in zwei, drei Tagen fertig, die Richtigkeit der slowenischen Schreibweise doppelt abgesichert,...

R: ...die Tafel war aus hochwertigem Aluminium und die Buchstaben exakt in der für Verkehrsschilder üblichen Schriftform. So eine Aktion macht nur Sinn, wenn alles möglichst authentisch ist. Die Idee ging letztendlich auf, weil viele Menschen das Schild für echt hielten.

derStandard.at: Dann sind Sie bei Nacht und Nebel auf die Autobahn gefahren?

L: Genau. Es war fast schon filmreif. Es hat geschneit, war kalt, Barbara sah aus wie eine Gangsterbraut aus den 20er Jahren – Mütze tief ins Gesicht gezogen, Handschuhe, schräg hinter uns die Asfinag-Zentrale.

R: Richard hat das Ganze technisch perfekt – und was noch wichtiger ist – sicher umgesetzt. Im Vordergrund stand für mich immer der Gedanke, keine Menschen zu gefährden. Damit das Schild auch ordentlich hält, haben wir es mit original Asfinag-Schellen fixiert.

L: Mit einem Akku-Schraubenzieher geht das ruckzuck. Dummerweise haben wir das Schild beim ersten Versuch zu tief montiert. Also alles wieder raus und höher rauf damit. Wir hätten eine Leiter mitnehmen sollen. Immerhin hatte die Tafel mit einer Breite von zwei Metern ein ganz schönes Gewicht.

derStandard.at: Keine Angst vor dem Erwischtwerden?

R: Naja, ich schon, aber was soll's, da muss man durch. Im Grunde war alles ziemlich unspektakulär. Leicht nervös wurde ich nur, als Richard noch ein Foto schießen wollte. Wer ihn kennt, weiß, wie pingelig er beim Fotografieren ist und wie zeitaufwendig das werden kann.

L: (lacht): Stimmt, das hat etwas gedauert. Blitzen kam nicht in Frage wegen der Spiegelung auf der Alu-Tafel, also nichts wie zum Auto, Stativ geholt und geknipst. Das Foto ging am nächsten Tag von einem Email-Account, den wir eingerichtet hatten und "Jörg Haider" nannten, an alle großen Medien.

derStandard.at: In den frühen Morgenstunden hat der Wiener Bezirksrat Hans-Jörg Schimanek den "Störenfried" beim Vorbeifahren entdeckt und der Asfinag gemeldet. Diese sprach von einem richtig "professionellen Schild".

R: Darüber war ich sehr froh. "Professionell" bedeutete, dass man uns keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nachsagen konnte. Ich bedanke mich nochmals für das Lob. Sehr viel Zustimmung war damals im Übrigen in online-Foren zu lesen. Vielen sprachen wir mit der Aktion aus dem Herzen. Außerdem freue ich mich bis heute, wenn bei der Ortstafeldiskussion immer wieder das Foto mit unserem Schild verwendet wird.

derStandard.at: Die Asfinag kündigte rechtliche Schritte "gegen Unbekannt" an.

R: Ich erlebe in Österreich einen sehr interessanten Reflex: Bei der Tätersuche geht man immer von einer politisch gefärbten Gruppe, einer bestimmten Ecke, aus. Offenbar rechnet niemand damit, dass Leute etwas tun, um zum Nachdenken anzuregen. Manche Medien wollten die Aktion kurzzeitig sogar einer SPÖ-Abgeordneten in die Schuhe schieben. Wäre diese oder eine andere Person zu Schaden gekommen, hätte ich mich geoutet.

derStandard.at:
Das Schild blieb immerhin einen ganzen Tag hängen. Ungewöhnlich lange.

R: Offiziell hieß es, man müsse prüfen, ob für das Schild eine Genehmigung vorliegt. Ich vermute allerdings, dass einige Leute innerhalb der Asfinag ihren Spaß daran hatten, weil gerade zu jener Zeit der ehemalige Minister Mathias Reichhold (Anm.: damals FPÖ) drittes Vorstandsmitglied der Asfinag wurde.

derStandard.at: Wie denken Sie heute über die Aktion?

R: Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich verstehe den Sonderstatus von Kärnten, für den ganz Österreich zahlen muss, nicht. Kärnten ist ein Bundesland, das seinen Schatten über ganz Österreich wirft. Nehmen wir das Beispiel Hypo Alpe Adria: Die Summe, die durch die Bank in Bayern versenkt wurde, entspricht laut deutschen Medienberichten einer Anstellung von 5.000 Lehrern über zwanzig Jahre – Zahlen, die sich in etwa auf Österreich übertragen lassen. Herhalten müssen wir Steuerzahler, egal, ob ein Politiker mit hohen Abfertigungen entsorgt oder ein Banken-Hilfspaket geschnürt wird, und so weiter. Mich wundert, dass die Menschen hierzulande sich nicht querlegen, aufschreien oder dagegen protestieren.

derStandard.at: Proteste im Sinn von Aktionen, wie der Ihren?

R: Ich finde generell, dass man viel mehr Widerstand leisten sollte. Die arbeitenden Bürger dieses Landes werden politisch und wirtschaftlich dermaßen über den Tisch gezogen. Länge mal Breite wird abgezockt, dann kollabiert das Wirtschaftssystem und man holt sich das Geld über Steuererhöhungen.

Dass ausgerechnet die Mineralölsteuer erhöht wird, um das Budgetloch zu stopfen, kann ich eventuell noch mit den Umweltgedanken dahinter ansatzweise verstehen. Nicht aber, dass Strom und Gas teurer werden – 100 bis 150 Euro im Jahr spürt jeder. Die Leute dort zu schröpfen, wo es an die Existenz geht, ist ein sehr primitiver Ansatz. Wo bleiben Spekulations- oder Finanztransaktionssteuern?

derStandard.at:
Österreich gilt nicht gerade als Land von Protesten oder Demonstrationen ...

R: ... der Österreicher ist ein geduldiger Mensch. Mich fasziniert die Mischung aus Geduld, Ignoranz und Ablehnung von Verantwortung – lieber leiden als handeln. Es ist halt immer noch leichter zu jammern, als konstruktiv zu sein, dazu kommt eine über Jahrhunderte tradierte Untertanenhaltung. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 22.3.2010)