Joachim Gradwohl kocht noch eine Woche, dann tritt er seinen Resturlaub an.

Foto: Heribert Corn

Wien - Joachim Gradwohl, hoch dekorierter Küchenchef im Restaurant Meinl am Graben, hat noch eine Woche zu arbeiten. Dann tritt er seinen Resturlaub an, Ende April schließt das Lokal mit der prächtigen Aussicht auf den Graben seine Pforten - zumindest in der bisherigen Form. Der Grund liegt demnach in den hohen Fixkosten, die Meinl nicht mehr zu zahlen bereit gewesen sei.

Für die Wiener Gastronomie ist das nach dem Abgang von Christian Petz aus dem Palais Coburg, Reinhard Gerers Ende im Korso und, mit Abstrichen, Toni Mörwalds Auszug aus dem Hotel Ambassador der nächste schwere Schlag. Mit Ausnahme des Steirerecks gibt es damit kaum noch Leitbetriebe in der Hauptstadt, die gastronomische Qualität auch personell auf breiter Basis gewährleisten. Gradwohl erklärt zwar, in Wien bleiben zu wollen und auch schon ein konkretes Angebot in der Tasche zu haben - allerdings wird er vor kommendem Jahr nicht wieder am Herd stehen. Dass er Spekulationen damit Tür und Tor öffnet, ist Gradwohl klar, aber das, so meint er sei "ja gerade das Schöne an der Spannung".

Während Meinl abspeckt - was danach kommt, will Geschäftsführer Udo Kaubek in den nächsten Tagen bekannt geben - dürfte es in absehbarer Zeit nämlich durchaus zu einer Aufwertung der Wiener Gastronomie kommen.

Auch wenn diese exklusiv von internationalen Hotelketten getragen wird: Shangri-La eröffnet noch heuer ein Haus am Schubertring, das Sofitel im Jean-Nouvel-Bau am Donaukanal geht kommendes Jahr in Betrieb, das Four Seasons im Gerichtsgebäude Riemergasse wird wohl noch länger brauchen, irgendwann wird auch das Schwarzenberg fertig umgebaut sein. Das sind alles Häuser, die ihren exklusiven Status nicht zuletzt über Fine-Dining-Restaurants definieren, denen große Küchenchefs ihren Stempel aufdrückt. Dass das Österreicher sein könnten, scheint - mit Ausnahme Gradwohls - einstweilen freilich unwahrscheinlich. (Severin Corti, DER STANDARD, Printausgabe, 24.3.2010)