Wien/Aschchabad - Anlass zu großer Besorgnis gibt die Entwicklung in Turkmenien, wo unter dem autoritär regierenden Präsidenten Saparmurat A. Nijasow, der sich selbst "Turkmenbashi" nennt, in zunehmendem Maße schwere Menschenrechtsverstöße registriert werden. Oppositionelle verschwinden, werden in der Haft gefoltert und zu Geständnissen gezwungen, vor allem seit einem Attentatsversuch auf Nijasow im November des Vorjahres. Hinter den Kriegsereignissen im Irak sind die vielfältigen Konflikte im Kaukasus und in Zentralasien medial verstummt. Bisweilen ist nur die Rede von der turkmenischen Minderheit im Irak, die neben Kurden und Arabern im Nordirak angesiedelt ist.

OSZE entsandte keine Wahlbeobachter zur "Scheinwahl"

Am vergangenen Sonntag fanden in der ehemaligen Sowjet-Republik Turkmenien Parlamentswahlen statt, denen aber keinerlei praktische Bedeutung zukommt. Alle Sitze in der nationalen Volksversammlung haben Vertreter der Demokratischen Partei Turkmenistans (DPT) inne, Vorsitzender der DPT ist Staatschef Nijasow, der sich vom Parlament zum Staatschef auf Lebenszeit wählen ließ. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandte keine Wahlbeobachter zu dem Urnengang, der als Scheinwahl gilt.

OSZE-Bericht an UNO-Hochkommissar übergeben

Die OSZE hat Ende März eine Dokumentation ihres Turkmenien-Berichterstatters Emmanuel Decaux veröffentlicht, in dem das Regime von Nijasow angeprangert wird. In dem zentralasiatischen Staat herrsche eine Atmosphäre "des Terrors und der Angst", heißt es in dem 106-seitigen Bericht. Internationale Nachrichtenagenturen meldeten, der OSZE-Bericht sei dem UNO-Hochkommissar für Menschenrechte übermittelt worden. Auf die UNO solle Druck ausgeübt werden, das Nijasow-Regime zu verurteilen.

Neuer Krisenherd befürchtet

Menschenrechtsorganisationen haben angesichts der Besorgnis erregenden Entwicklung in Turkmenien Alarm geschlagen. Robert Templar, Zentralasien-Direktor der Internationalen Krisengruppe, warnte kürzlich vor "einem zweiten Afghanistan". Turkmenien könnte zu einem gefährlichen Krisenherd für die Welt werden. Aaron Rhodes, der Exekutivdirektor der Internationalen Helsinki Föderation (IHF), bezeichnete die verschärften Gesetze über drastische Kontrollen der Opposition, der Medien und von Reisen als beunruhigendes Zeichen dafür, "dass in diesem Land niemand sicher ist". Die Menschen lebten wie in einem Gefängnis, sie hätten keine Bewegungsfreiheit im eigenen Land und müssen Ausreisevisa beantragen.

Menschenrechtslage als besonders kritisch beurteilt

Besonders verschlechtert hat sich die Menschenrechtslage seit dem Attentatsversuch auf Nijasow, als der Autokonvoi des selbstherrlichen Staatschefs in Aschchabad beschossen wurde. Die turkmenische Zeitung "Adalat" (Gerechtigkeit) hat inzwischen die Namen von 51 "Verrätern, Terroristen und Volksfeinden" veröffentlicht, die angeblich an dem "Putsch" beteiligt waren. Sie erhielten Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Der spektakulärste Fall ist der des früheren Außenministers und späteren Oppositionspolitikers Boris Schichmuradow, der zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Der Ex-Chef der turkmenischen Zentralbank, Khudaiberdy Orazow, und der frühere Botschafter Turkmeniens in der Türkei wurden in Abwesenheit verurteilt. Nach der Prozesswelle wurden auch Verwandte von Verurteilten umgesiedelt. Berüchtigt ist eine Haftanstalt in der Wüste Kara-Kum.

Personenkult um Nijasow

Nijasow, der die Geschicke des Landes seit der Unabhängigkeitswerdung von der Sowjetunion lenkt, hat einen enormen Personenkult entfaltet. Alle Macht liegt in den Händen des Staatschefs und einer kleinen, ihm treu ergebenen Clique. Das Land ist mit überlebensgroßen Plakaten des "Turkmenbashi" vollgepflastert. Der selbst ernannte "Führer aller Turkmenen" lässt seine Bürger einen Eid ablegen; sie müssen schwören, dass sie lieber sterben als ihn verraten würden. Am 19. März wurden Prämien an willige Künstler und Journalisten verteilt, die sein Buch "Rukhnama" verteilten. Dieses Werk, offenbar ein Cocktail verschiedener Autoren, wurde als "geistige Leitlinie für das turkmenische Volk" gepriesen.(APA)