Balsam und Schminke für Tote in "Six Feed Under": Amerikanische Begräbnisrituale unterscheiden sich von hiesigen fundamental. (zum Vergrößern anklicken)

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Doris Priesching bat Josef Schirmböck , Zeremonienmeister der Bestattung Wien, um fachkundiges Urteil.

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Makaber? Nein, makaber findet Josef Schirmböck "Six Feet Under" überhaupt nicht. Die Serie rund um die Geschicke des Bestattungsunternehmens "Fisher and Sons" entlockt dem 58-jährigen Zeremonienmeister der Bestattung Wien weder eine Träne noch bereitet sie ihm sonderliches Vergnügen. Das Urteil eines mit beiden Beinen fest dem Erdboden verhafteten Mannes: "Typisch amerikanisch."

Jede Folge von "Six Feet Under" beginnt mit einem Todesfall. Zum Auftakt trifft es den Familienvorstand und Besitzer des Bestattungsunternehmens Fisher & Sons gleich selbst: Nathaniel Fisher stirbt am Weihnachtsabend bei einem Autounfall, als er sich im Leichenwagen eine Zigarette anraucht.

"Das dürfen sie bei uns nicht. Im Auto soll es ja nicht nach Rauch stinken. Trotzdem wird es gemacht: "Wo kein Kläger, da kein Richter".

Ehefrau Ruth, mit der Nathaniel kurz vor dem Zusammenstoß mit dem Lkw telefoniert, beanstandet die Qualmerei aus demselben Grund. Nathaniel raucht noch eine an. Es kommt zum Crash.

"Typisch amerikanisch"

Der neue Wagen sei reine Geldverschwendung, nörgelt der in die Firma eingebundene Sohn David. Er weiß noch nicht, dass der neue Wagen nur noch ein Haufen Schrott und der Vater tot ist.

"Der braucht ihn nimmer."

Lachen verboten

Josef Schirmböck - "Schirm wie der Schirm und Böck wie der Bock" - ist 58 Jahre alt und seit 1986 Zeremonienmeister bei der Wiener Bestattung, die bei einem Todesfall für Hausabholung, Transport und Begräbnisfeier zuständig ist. "Ich bin der Mann im Hintergrund, der den Ablauf überwacht", erklärt Schirmböck.

"Der Ablauf muss würdig sein, das Personal muss sich zusammenreißen. Da darf nicht gelacht werden. Ich prüfe, ob der Auftrag ordnungsgemäß ausgeführt worden ist. Wenn acht Sänger bestellt worden sind und nur sieben kommen, vermerke ich das und die Kunde bekommt das Geld zurück. Oder der Pfarrer kommt nicht. Dann treibe ich einen auf. Wenn es gar nicht anders geht, macht man die Feier, vertröstet die Familie und macht am nächsten Tag am Grab die Einsegnung, wenn der Geistliche dann da ist. Alles schon vorgekommen. Ich könnte auch eine Fernsehserie drehen."

Unterdessen macht sich bei den Fishers Trauer breit. Alle Familienmitglieder, der verantwortungsvolle David, der Weltenbummler Nate und die Crack-rauchende Tochter Claire haben vom Tod des Vaters erfahren.

"Die Amerikaner geben viel mehr Geld aus fürs Sterben. Sie haben zum Teil extreme Ideen, die es bei uns nicht gibt. Die schießen die Asche eines Toten in einer Rakete auf 1500 Meter hoch und dann explodiert sie. So weit sind wir noch nicht. Bei uns kann man die Asche auf einer eigenen Wiese am Zentralfriedhof verstreuen."

Ob er durch seinen Beruf zum Tod eine andere Beziehung habe? Familie Fisher hat selbige nicht, so viel steht fest. Die Nerven liegen blank, Konflikte brechen auf.

"Normal hat man keine Beziehung zum Verstorbenen. Bei jedem mitsterben geht auch nicht. Wenn man jemanden kennt, ist es anders. Dann gehe ich beim Begräbnis zum Grab und schütte Erde hinein."

Am Bildschirm beginnen die Formalitäten, das Besondere der eigenen Betroffenheit geht einher mit dem professionellen Abwickeln einer alltäglichen "Angelegenheit".

"Bei der Hausabholung ziehen wir dem Toten seine Kleidung an. Nur Schuhe gibt's keine. Der Sarg besteht aus einer Papierspitzendecke und einem Polster, ebenfalls aus Papier."

So weich gebettet wie in "Six Feet Under" ist der Leichnam in einem Sarg der Wiener Bestattung nicht. Aufgrund der strengen Umweltauflagen müsse alles verrottbar sein, sagt Schirmböck. Der verstorbene Familienvater wird einbalsamiert und geschminkt.

"Gibt's bei uns nicht. Die Augen werden geschlossen. Wenn er zum Anschauen ist, kann man die Angehörigen reinschauen lassen. Wenn der Schädel durch einen Autounfall nur noch eine formlose Masse ist, dann rät man ihnen davon ab, verbieten kann man es ihnen aber nicht. Manchmal kippt dann einer um. Auch schon erlebt."

Sarg lieber geschlossen

Nathaniel wird im offenen Sarg in einem eigenen Zimmer des Bestattungsunternehmens aufgebahrt. Nur in Amerika, weiß der Zeremonienmeister.

"Aufgebahrt wird bei der Wiener Bestattung nur am Friedhof, wenn die Trauerfeier ist. Nicht in einem eigenen Raum. Seit 1968 bleibt der Sarg bei der Aufbahrung auch nicht mehr offen. Aus Hygienegründen angeblich. Mir ist das auch lieber. So schön ist der Anblick nicht."

In "Six Feet Under" beginnt das Begräbnis, und es dauert nicht lang, bis sich die Angehörigen in die Haare kriegen.

"Das ist nicht übertrieben. Meistens streiten sie um Geld. Wenn einer das Begräbnis zahlt, kann es sein, dass er bestimmte Trauergäste nicht dabei haben will. Wenn sich die beiden nicht einigen, muss man die Polizei holen."

Eine Angestellte versucht Sohn Nate zu trösten: "Dort, wo er jetzt ist, geht es ihm mit Sicherheit besser." Tröstet Herr Schirmböck?

"Mir tun die Älteren leid, weil sie manchmal so verloren sind. Dann tröste ich sie und sage: ,Schaun's so schöne Blumen haben Sie, so schöne Kränze." Man lenkt sie eben ein bisschen ab. Manche sind wirklich ganz zerstört. Die meisten sind aber froh, wenn es vorbei ist." "In Amerika wird der Sarg elektrisch versenkt, hierzulande gekurbelt."

"Das gehört zur MA 43, unsere Arbeit ist in dem Augenblick beendet, wo der Sarg auf dem Versenker steht."

Das Begräbnis ist zu Ende, David wimmelt auf dem Friedhof einen potenziellen Käufer des Bestattungsunternehmens und Josef Schirmböck zieht ein vernichtendes Resümee:

"Es ist eher eine Familiengeschichte, die könnten genauso Ölbohrer sein oder Hoteliers. Ich finde es geschmacklos. Wer es sich anschauen will, soll es sich anschauen. Ich kann darüber nicht lachen. Das typisch Amerikanische, ,ich verzeihe dir' und ,ich liebe dich', total niveaulos. Ich schau gern "Wolfs Revier" oder "SK Kölsch". Ich habe 60 Programme, ich dreh' den Fernseher nicht auf, weil auf allen 60 nichts ist. Die Serie? Aus meiner Sicht unnötig. Billiger Schund, wie alles andere." (DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.4.2003)