Das staatliche Gefängnis im kalifornischen Lancaster, 80 Kilometer von Los Angeles entfernt, wurde für 1350 Insassen erbaut - und beherbergt heute mehr als 4700 Männer. In einer Sporthalle schlafen rund 150 Insassen in Stockbetten. Andere nächtigen auf Matratzenlagern in Aufenthaltsräumen. Auch die Zellen sind überbelegt. Es ist laut, die Luft ist stickig.

Wie in Lancester sieht es in allen 33 kalifornischen Haftanstalten aus, wo derzeit 167.000 Gefangene einsitzen, beinahe doppelt so viele wie in den Bauplänen vorgesehen. Seit Jahren wird dieser Zustand kritisiert. Nun schafft der Staat Abhilfe - gezwungenermaßen. 2009 stand Kalifornien ob der menschenunwürdigen Verhältnisse in seinen Gefängnissen selbst vor dem Kadi.

Drei Bundesrichter beschieden, dass der Golden State in den nächsten zwei Jahren jeden vierten Insassen - insgesamt mehr als 40.000 Kriminelle - zu entlassen habe - oder mehr Gefängnisse bauen muss. Letzteres ist unrealistisch: Kalifornien ist pleite.

Als Folge werden nun nicht nur mehrere tausend Kleinkriminelle - Einbrecher, Drogenkonsumenten und Betrüger - auf Bewährung entlassen. Auch die Auflagen selbst sind weniger streng: keine willkürlichen Drogentests mehr, die, wenn positiv, die Vorbestraften früher sofort wieder hinter Gitter brachten. Zwar müssen auf Bewährung Entlassene weiterhin den Aufenthaltsort angeben, doch die örtliche Polizei soll nun für ihre Überwachung zuständig sein.

Mithilfe der unter anderem von der Polizei kritisierten Maßnahmen soll die Zahl der Insassen sukzessive reduziert werden und Bewährungshelfer sich auf Vorbestrafte mit schwereren Delikten konzentrieren können. (Rita Neubauer, DER STANDARD - Printausgabe, 26. März 2010)