Johannes Ditz: "Ich bin nicht verfeindet mit Doktor Schüssel, wir wollen bald auf einen Kaffee gehen."

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Johannes Ditz, Aufsichtsratschef der Hypo Kärnten, lässt die Bank massiv schrumpfen. Wofür er einen Wunderheiler braucht (Beine) und wie ihn Minister Lacina einst aus der Sauna holte, erfragte Renate Graber.

STANDARD: Nettes Foto: Ditz nach dem Marathon in den Alpen?

Ditz: Ja, da bin ich den Jungfrauen-Marathon in der Schweiz gelaufen, im September, knapp unter fünf Stunden. Supererlebnis.

STANDARD: Sind Sie derzeit gut in Form? Kondition für die Kärntner Hypo können Sie brauchen...

Ditz: Ich komme wenig zum Trainieren, aber mache jetzt bei meinem Bruder einen Lauf...

STANDARD: Bei Otto in Südafrika, dem Botschafter in Pretoria?

Ditz: Woher kennen Sie den Otto? Ach so, Sie sind vorbereitet. Ich laufe den Two-Ocean-Run, Ultramarathon: 56 Kilometer. Ich werde leiden. Ich muss vorher noch zu meinem Wunderheiler.

STANDARD: Sie brauchen Wunder, haben einen Wunderheiler?

Ditz: Brauchen Sie einen? Kennen Sie auch meine Lieblingslektüre?

STANDARD: Nein, aber Sie haben sie mit: Tao de king. Ein Laotse-Spruch für jeden Tag?

Ditz: Ich brauche keine Sprüche für jeden Tag. Laotse ist ein guter Ausgleich zum Alltag. Hilft, sich selbst zu relativieren, zu philosophieren. Eigentlich ist es das Gegenteil davon, was Manager machen: drei Stunden aufs Meer schauen, Aufgaben nur machen, wenn sie an einen herangetragen werden, nicht aktiv suchen, nicht wichtig sein. Das ist eine Art Anti-Politiker-Fibel.

STANDARD: Als Aufsichtsratschef der Hypo schauen Sie dann zwischendurch mal drei Stunden sinnend auf den Wörthersee?

Ditz: Nein, aber ich hatte Phasen, da konnte ich das sehr wohl tun, nach meiner Ablöse in der ÖIAG 2001 etwa. Da hätte ich sofort sagen können: Achtung, ich bin wieder zu haben. Ich habe aber die Zeit genützt zu fragen, wo ich stehe, was ich bin, ob ich das alles verkrafte. Damals habe ich auch mit dem Marathonlaufen begonnen. Heute ist das mein Hobby, meine Sucht und meine Therapie.

STANDARD: Sie sagten nach Ihrem Ausstieg aus der Politik, Politik deformiere die Menschen. Ist das so?

Ditz: Schlimm wird es in meinen Augen dann, wenn man nicht mehr loslassen kann.

STANDARD: Von der Politik? Sie waren unter Vranitzky und Lacina Finanzstaatssekretär, kurz Wirtschaftsminister. Die ÖVP hat Ihnen 2001 nach Ihrem Rauswurf aus dem ÖIAG-Vorstand durch die FPÖ keinen Job besorgt. Sie sind in Ungnade?

Ditz: Das habe ich nie so gesehen. Ich habe die ÖVP auch nicht um Schutz angefleht. Der Aufsichtsrat wollte mich nicht mehr, und da bin ich gegangen. Hören Sie zu (liest): "Der, der Geschmack findet an dem, was nicht schmeckt, der sieht das Große im Kleinen, das Viele im Wenigen." Das ist schön. Ich habe das studiert: Je weniger man für sein Leben braucht, desto mehr Freiheit gewinnt man.

STANDARD: Sie gelten als bescheiden, haben aber leicht reden: Sie wurden bei der ÖIAG mit rund zehn Millionen Schilling abgefertigt.

Ditz: Abgefertigt in jedem Wortsinn. Es war jedenfalls unter einer Million Euro, und ich habe keine Boni verlangt. Das Geld hat mir als Absicherungspolster gedient, denn wenn man einmal abhängig ist, kann man sich den Luxus einer eigenen Meinung nicht mehr leisten. Mir war Geld nie wichtig.

STANDARD: An der Zwei-Millionen-Abfertigung für Ex-Hypo-Chef Franz Pinkl wären Sie am Mittwoch im Hypo-Aufsichtsrat fast gescheitert. Rund um AUA-Vorstandsturbulenzen bekamen Sie als ÖIAG-Chef von Medien den Namen "Master of disaster". Geht das jetzt in Kärnten so weiter, hat Sie der Beiname eigentlich gekränkt?

Ditz: Sicher kränkt das, das war damals völlig unberechtigt, das war eine politische Kampagne gegen mich. Und zur Hypo: Der Neustart ist nicht gut gelungen, aber ich hoffe, dass sich die Parteisekretariate nun zurückhalten. Für Pinkl will ich eine Lanze brechen. Wir haben in der Kärntner Hypo mit 1,5 Milliarden Euro die Hälfte des Betrags verbraten, den wir einst für die gesamte Verstaatlichte gebraucht haben. Das ist dramatisch. Und jetzt wird Pinkl zum Buhmann gemacht. Er war nur ein halbes Jahr da und zog beim Wachstumskurs die Reißleine, den auch die BayernLB im Blindflug weiterfuhr. Pinkl ist nicht der Problemverursacher, sondern hat Anteil an der Problemlösung. Jetzt haben wir ein neues Team für die Restrukturierung; die alten Verträge abzulösen, ist juristische Notwendigkeit. Diese Lösung war die kostengünstigste für den Staat.

STANDARD: Was ging in der Hypo Alpe Adria schief? Sie lieben ja Italien – ist Kärnten Österreichs Italien?

Ditz: Sicher nicht, reden Sie einmal mit einem Neapolitaner. Ein Mann, Wolfgang Kulterer, dominierte die Bank und hat die Lage ausgegeben, Probleme mit noch schnellerem Wachstum zuzudecken. Der Aufsichtsrat hat abgenickt, von Corporate Governance keine Rede, und niemand in Österreich hat etwas gesagt.

STANDARD: Eben, es war bekannt, dass die Bank im Monat 40 Mio. Euro Eigenkapital verbrannte, es gab kritische Prüfberichte. Was sagt der Ex-Politiker dazu?

Ditz: Ich bin kein Ex-Politiker. Ich war zehn Jahre Wirtschaftsexperte, zehn Jahre Politiker, ebenso lang Manager. Jetzt bin ich ein Ein-Personen-Unternehmen, tu immer mehr, was ich will. Herrlich.

STANDARD: Ditz, eine Ich-AG?

Ditz: Ich bin eine Selbst-AG. Das Ichwill-ichwill-ichwill ist nichts für mich, ich renne auch nicht jedem Auftrag nach.

STANDARD: Den Hypo-Job haben Sie aber schon gewollt?

Ditz: Ich hatte wenig Zeit zum Nachdenken, als man mich gefragt hat – und die Herausforderung liebe ich schon auch. Den Job wollte niemand, und obwohl das jetzt pathetisch klingt: Ich fühle mich der Res Publica verpflichtet. Ich habe als Politiker das Budgetdefizit bekämpft und bei der Hypo geht es um sehr viel Geld. Ich will ein Anti-AUA-Beispiel schaffen: Da hieß es, die AUA sei saniert, und dann hat der Staat dem Käufer in einer Nacht- und Nebelaktion 500 Millionen geschickt. Ich will, dass der Steuerzahler aus der Kärntner Hypo in drei Jahren Geld zurückbekommt. Der Weg wird hart.

STANDARD: Und was bleibt von der Kärntner Hypo?

Ditz: Wir werden viel verkaufen, die Bilanzsumme mittelfristig um mehr als 50 Prozent zurückfahren. Aber zerschlagen wird die Bank nicht, da würde der Staat zu viel Geld verlieren. Jetzt brauchen wir einmal fürs Eigenkapital jene 450 Millionen Euro vom Staat, die uns zugesagt sind. Für 2011 ist ein kleiner Gewinn unser Ziel.

STANDARD: Wie schnell brauchen Sie 450 Millionen? Beim Eigenkapital ist die Bank ja eher knapp.

Ditz: Derzeit sind die gesetzlichen Vorschriften erfüllt, aber wir brauchen das Geld so rasch wie möglich, am besten noch im April. Und wir müssen auch Signale setzen: Schluss mit Pomp und Wörthersee-Festen. Dazu gehört, dass wir auch die Niederlassung im Wiener Palais am Stock-im-Eisen-Platz verkaufen. Und weil im Disaster die Berater goldene Nasen verdienen, hatten wir in der Hypo 62 Mio. Euro Beraterkosten, die werden wir um ein Drittel senken.

STANDARD: Franz Pinkl hat auch schon in den Volksbanken viele Berater beschäftigt...

Ditz: Ach, hören Sie doch auf, immer Franz Pinkl. Das hat mit ihm wenig zu tun, es war die Münchner BayernLB, die die meisten der Berater in die Kärntner Bank geschickt hat.

STANDARD: Waren die Kärntner Hypo-Banker größenwahnsinnig, als Sie ihren rapiden Expansionskurs nach Südosteuropa gefahren sind?

Ditz: Die Kärntner sind durchaus einen unreflektierten Wachstumskurs gefahren. Zuerst konnten sie sich wegen der Landeshaftung günstig refinanzieren, danach hatten sie das Glück, dass die BayernLB die Hypo Alpe Adria um jeden Preis kaufen wollte, das war dann die Super-Supergewährträgerhaftung. Aber es wurde ja auch noch unter den Bayern kräftig gewachsen und die Hypo hat auch unter den Bayern viel Geld verloren. Das alles ist aufgebrochen, als die Krise kam, und die Korruption kommt dazu. Ich hoffe, dass der Staatsanwalt da nicht ewig untersucht, sondern in zeitlich vernünftigen Dimensionen zu vernünftigen Ergebnissen kommt.

STANDARD: Nochmal kurz zurück zu Ihren AUA-Erinnerungen: Sie waren bis 2002 ja selbst AUA-Aufsichtsratschef.

Ditz: Ja, und selbstbewusst sage ich Ihnen: Wäre ich es geblieben, wäre vieles anders gelaufen. Ein Notverkauf wäre nicht erfolgt.

STANDARD: Sie haben sich fast besser mit dem roten Finanzminister Lacina verstanden als mit Parteifreund Schüssel. Sie haben im selben Haus wie Lacina gewohnt...

Ditz: Wir haben super zusammengearbeitet. Das war eine andere Zeit damals: Ich war als Staatssekretär der zweite Finanzminister, ohne meine Zustimmung ging kein Gesetz durch. Zu Hause haben wir uns aber nur zwei Mal getroffen, einmal ging ich grad' um eine Flasche Wein, da kam Lacina geknickt aus einer Verstaatlichtensitzung – wir haben dann den Wein gemeinsam getrunken.

STANDARD: Barolo?

Ditz: Nein. Ich trinke am liebsten einen Brünnerstraßler. Ich halte diese Weingeschichten ja für hypertroph, ich würde nie tausend Euro für eine Flasche ausgeben, 20, 30 Euro sind genug. Lacina hat ja immer seinen Sektionschef Wolfgang Nolz, den großen Weinkenner, geärgert. Sagte ihm, er trinke am liebsten Wein aus dem Tetrapack. Nolz war fertig.

STANDARD: Lacina ließ Sie notfalls auch aus der Sauna holen?

Ditz: Einmal. Er wollte mich sprechen, ich hatte mir aber eine kleine Auszeit genommen, in der Sauna. Mein Chauffeur löste also eine Sauna-Karte, tastete sich mit beschlagener Brille zu mir durch. Ich kam halt mit, aber es ging dann nur um eine Bagatelle. Ein anderes Mal, mitten in Budgetverhandlungen, wurde ich vom Minister ganz plötzlich auf Dienstreise nach China geschickt, wo Kontrollbanker Termine für Vertragsverhandlungen hatten. Unser volksverbundenes Kabinett im Finanzministerium hat mich Economy gebucht. Ich also in der zweiten Klasse, todmüde nach Peking, dort stehe ich dann: übernachtig, völlig k.o. und unfrisiert – und vor mir eine chinesische Staatsdelegation. Ich habe mich dann wacker geschlagen, und bin gleich wieder zurück nach Wien, ich musste ja Budget verhandeln. Die österreichischen Kontrollbanker und ihre Frauen sind übrigens Business geflogen und eingeladen gewesen.

STANDARD: Mit dem Schüssel-Ditz-Kurs ist die ÖVP 1995 gescheitert. Schüssel ist seit Ihrem Abgang aus der Politik 1996 bös' auf Sie?

Ditz: Es gab schon Groll, vor allem aber von anderen in der ÖVP. Ich habe gemerkt, dass ein Bannstrahl auf mir liegt. Ich bin aber nicht verfeindet mit Doktor Schüssel, wir wollen bald auf einen Kaffee gehen.

STANDARD: Welch Freundschaftsbeweis. Sie sind Rapidler im Gegensatz zu Vienna-Anhänger Schüssel. Foult Schüssel wirklich so viel?

Ditz: Ich bin glühender Rapidler, habe auf der Nordtribüne im Hanappi-Stadion meinen Stammplatz. Fußball ist eine zweite Welt, wissen Sie, man muss mehrere Gesichter haben im Leben. Mir ist Fußball seit Kindheitstagen eine Leidenschaft.

STANDARD: Ihr Vater hatte eine Greißlerei, Sie waren im Wiener Internat der Schulbrüder, sind ein in der Wolle gefärbter Schwarzer...

Ditz: Eben nie gewesen, ich bin ein Liberaler. Mein Elternhaus war bürgerlich, aber sehr offen, als Kaufmann am Land kann man mit allen Leuten. Ja, und im Internat war ich. Vier harte Jahre lang. Nur alle drei Wochen heimfahren, Heimweh, Heimweh-Kaschieren. Das Internatsleben war nicht meins, ich war ein Rebell, gelte heute noch als Einzelgänger. Aber noch zu Schüssel: Der Wolfgang ist ein engagierter, guter Fußballspieler und ein Kämpfer, da kann schon ein Foul passieren, kommt bei mir auch vor. Ich selbst war immer ein schneller Stürmer.

STANDARD: Schnell sind Sie auch beim Jobwechseln, bei Mirko Kovats' Atec waren Sie zuletzt nur fünf Wochen. Sie sind ein unruhiger Geist?

Ditz: Mein Lebenslauf sieht jedenfalls dementsprechend aus. Ich brauche den Wechsel, ich will gestalten, bewegen und habe mittlerweile berufliche Bindungsängste (lacht). Bei Kovats war rasch klar, dass es nicht passt, aber wir haben uns schnell und schmerzlos getrennt, no hard feelings.

STANDARD: Was werden Sie denn nach der Hypo Alpe Adria machen? Einen Job von der ÖVP haben Sie ja eher nicht zu erwarten.

Ditz: Ich werde meine Freiheit wieder genießen, Neues entdecken. Das Leben ist zwar kein Eishockey-Spiel, aber optimistisch gedacht komme ich jetzt mit fast 60 ins letzte Drittel. Was ich Neues entdecken will? Alles.

STANDARD: Letzte Frage: Worum geht's im Leben?

Ditz: Darum, das Leben zu leben. Das Leben ist eine Reise, nicht zum egoistischen Ich, sondern zum Selbst.

(Langfassung; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.3.2010)