Wie kann jemand, der bei einer Bank arbeitet, über guten Kapitalismus schreiben? So: Die Shareholder wollen Geld verdienen - sollen sie doch! Im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wissen viele Shareholder, dass sie ihre "Stakeholder" zufriedenstellen müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Nicht erst durch die Große Rezession hat sich im Unternehmensbereich herumgesprochen, dass man sich als auf das Umfeld angewiesener und in diesem Sinne durchaus auch fragiler Akteur besser damit befasst, wie dieses Umfeld einen sieht.

Das gilt nicht für jeden Wirtschaftssektor gleichermaßen, aber Reputation ist letztlich überall ein zentraler Erfolgsfaktor. Reputation ist die Wahrnehmung eines Unternehmens durch seine Stakeholder, also Kundschaft, Beschäftigte, Zulieferer, Anrainer, Nichtregierungsorganisationen, Medien und so weiter.

Unternehmen, die - in guten wie in schlechten Zeiten - nicht nur Geschäft machen wollen, sondern sich wie ein guter und durchaus großzügiger Bürger verhalten und sehen, dass das eine mit dem anderen zu tun hat, sind gewiss besser "aufgestellt" als solche, die auf schnellen Gewinn und Effizienzsteigerung fixiert sind. Gerade in den unternehmerischen Bemühungen um Reputation und glaubwürdige Verantwortlichkeit liegen Potenziale für eine solche Strategie. Dabei geht es auch um Geld, zum Beispiel im Spenden- oder Sponsoringbereich. Wichtiger: Darüber hinaus können Unternehmen nicht nur spenden, sondern sich im Hinblick auf ihre Kompetenz großzügig zeigen.

Zum Beispiel können sie ihr Wissen teilen. Mit Forschungseinrichtungen, mit Schulen, mit ihrem regionalen Umfeld, mit ihren Kundinnen und Kunden. Unternehmensspezifische Kompetenzen und nicht zuletzt die Fähigkeiten der Mitarbeitenden sind etwas, das Unternehmen zum eigenen Wohl und zum Wohl der Gesellschaft großzügig unter die Leute bringen könnten. Wäre das dann kluger Eigennutz? Oder Großzügigkeit? Oder Verschwendung?

Derlei Fragen stellen sich schon heute, und sie werden wichtiger werden. Nachhaltigkeit und Verantwortung sind längst „in der Wirtschaft" angekommen. Jetzt kommt - endlich - die Phase, in der die Sache beginnen wird, wehzutun. Weil deutlicher werden wird, dass diese Themen sehr viel mit Aktion und Gewinn zu tun haben, aber auch mit Nichttun und, ja, Verzicht.

Nachhaltigkeit, das gilt auch hier, entsteht durch das, was man tut - aber ganz wesentlich auch durch das, was man unterlässt. Ein ganz und gar abwegiger und realitätsferner Gedanke? Falsch - so etwas gibt's schon. 

Immer mehr Unternehmen verzichten zum Beispiel auf Geschäftsmöglichkeiten, wenn diese Möglichkeiten mit menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, Klimaschädigung, Tierquälerei und Waffenproduktion zu tun haben.
Dass also Nachhaltigkeit das Kerngeschäft berührt und kein nettes Zusatzthema ist, spricht sich herum. Daran und an der dahinterliegenden Logik gilt es anzusetzen. Jetzt. Hier. Nachhaltig. (Fred Luks*/DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.3.2010)