Bild nicht mehr verfügbar.
Missbrauchs-Meldungen an Diözesen
Wien - Einen Tag vor dem Klage- und Bußgottesdienst im Wiener Stephansdom am Mittwochabend wurden neueste Zahlen zum Ausmaß des Missbrauchsskandals in Österreich bekannt. Demnach verzeichnen die Ombudsstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche einen regelrechten Ansturm. Seit Jahresbeginn haben sich 566 mutmaßliche Opfer, ein Großteil davon wiederum nur im März, per Telefon und per E-Mail gemeldet, gab die Erzdiözese Wien am Dienstag bekannt. Am meisten Meldungen erhielt die Erzdiözese Wien mit 174 Kontakten (siehe auch Grafik). Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr hatte die Wiener Ombudsstelle nur 17 Meldungen.
Auch in der Diözese Innsbruck gingen überraschend viele, nämlich 115 Meldungen, ein. Zwei davon betrafen am Dienstag das Zisterzienserkloster Stift Stams im Tiroler Oberinntal sowie ein Behindertenheim der Barmherzigen Schwestern in Zams.
Mehr als die Hälfte der neu gemeldeten Fälle dürfte nach juristischen Maßstäben bereits verjährt sein. Tatsächlich sexuellen Missbrauch betreffen nach aktuellem Erkenntnisstand vorerst 27 Prozent der Meldungen. Bei 26 Prozent der Fälle handelt es sich um Gewalt, knapp die Hälfte bedarf noch weiterer Aufklärung.
Johannes Wancata, der Leiter der Wiener Ombudsstelle, kündigte an, dass künftig monatlich ein Bericht über den Stand der Meldungen veröffentlicht werde. Die bekanntgewordene Zahl von 566 Meldungen zeige, dass die Einrichtungen "Vertrauen genießen und das Angebot angenommen wird" .
Den außergewöhnlichen Klagegottesdienst im Stephansdom, in den auch die kirchenkritische Plattform "Wir sind Kirche" miteingebunden ist, wird der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn leiten.
"Wir laden Opfer ein, über ihre Erfahrungen und Verletzungen zu sprechen - abseits der Neugier der Öffentlichkeit, die sich daran delektiert. Klage, Wut und Scham sollen Platz haben" , erklärt Dompfarrer Anton Faber. Medien wurde die Auflage erteilt, sich für eine allfällige Berichterstattung über den Gottesdienst vorab zu akkreditieren. (simo, DER STANDARD - Printausgabe, 31. März 2010)