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Heiß her geht es nicht nur am Hochofen in der Stahlerzeugung, sondern vor allem bei den Preisverhandlungen für Eisenerz.
Saftige Preiserhöhungen in Asien machen Eisenerzkonzerne und Stahlindustrie zu Erzrivalen. Europas Stahlkocher laufen in Brüssel Sturm gegen das Preisdiktat des Oligopols der Minenkonzerne.
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Wien - Die von Wirtschaftskrise und Konjunktureinbruch schwer gebeutelte Stahlindustrie bekommt seitens der Rohstofffront zusätzlich Gegenwind. Der kommt von den Erzgiganten Vale (Brasilien), BHP Billiton und Rio Tinto (beide Australien), die den japanischen Stahlriesen wie Nippon Steel und Posco Preiserhöhungen der Sonderklasse abgetrotzt haben.
Neben Erzpreiserhöhungen um bis zu 90 Prozent mussten die Asiaten auch auf drei Monate verkürzte Lieferverträge schlucken. Bisher waren Rohstoffpreise immer auf ein Jahr vereinbart worden, beginnend jeweils am 1. April. Für die laufenden, als extrem zäh und schwierig beschriebenen Preisverhandlungen von ThyssenKrupp, Arcelor, Salzgitter und Co sind das extrem schlechte Vorzeichen.
Europas Stahlkocher verhandeln mit dem Minen-Oligopol nicht nur einzeln, die Gespräche sind auch noch überfällig, denn die Langfristverträge endeten formal bereits gestern, Mittwoch. Schlechte Karten gegenüber den mit 40-prozentigen Margen zuletzt ohnehin prächtig verdienenden Erzgiganten haben die Eisen- und Stahlproduzenten auch insofern, als die Nachfrage ihrer chinesischen Konkurrenten so groß ist, dass die Erzlieferanten ihre "unverschämten Preiserhöhungen" durchsetzen konnten.
Auch Voestalpine sieht "massive Mehrkosten" auf sich zurollen, man könne diese Verteuerungen von Erz und Kohle "sicher nicht schlucken" , sagte ein Sprecher des Linzer Stahl- und Verarbeitungskonzerns am Mittwoch. Und: "Die Quartals-, Halbjahres- und Jahresverträge mit den Kunden sind zu überdenken." Fahrzeuge, Maschinen und natürlich auch Schienen könnten demnächst empfindlich teurer werden. Da Rohstoffe mehr als die Hälfte der Produktionskosten ausmachten, habe man wenig Spielraum, heißt es bei Voestalpine. Betroffen sind primär die Hochofen-Standorte Linz und Donawitz, die pro Jahr zehn Millionen Tonnen Eisenerz, zwei Mio. Tonnen Kokskohle und eine Mio. Tonne Koks verarbeiten.
Mit dem Preisanstieg wird natürlich auch Inflation "importiert" , denn Stahl ist, ähnlich wie Öl, fast überall drin und somit aus dem Leben nicht wegzudenken.
Um dem preislichen Schwitzkasten zu entkommen, laufen die in Eurofer versammelten 60 europäischen Stahlproduzenten bei den EU-Wettbewerbshütern Sturm gegen das Diktat der Erzriesen. Die EU möge "gegen ausufernde Preissteigerungen und Wettbewerbsverzerrungen vorgehen, denn die Erzkonzerne kontrollierten fast drei Viertel des Weltmarkts. "Eisenerz ist die Basis für die wichtigste Wertschöpfungskette in der EU." Werde seine Beschaffung durch ungerechtfertigte Preise erschwert und dadurch die Stahlindustrie in Europa geschädigt, habe dies ernste Konsequenzen, warnte Eurofer.
Die Gefahr im Hintergrund: Kurze Laufzeiten ermöglichen das Drehen an der Preisschraube alle paar Monate, womit der Stahlmarkt an Verlässlichkeit verliert. Immerhin lehnte China - der mit Abstand weltgrößte Stahlhersteller - zuletzt eine Verkürzung der Vertragslaufzeiten für Eisenerz erneut ab. Hinzu kommt, dass eine Preiserhöhung um 90 Prozent wie in Japan für die Erholung der Stahlmärkte Gift ist. In Österreich ist die Maschinen- und Metallindustrie 2009 um ein Fünftel auf 24,4 Mrd. Euro geschrumpft, 5000 Stellen wurden gestrichen.
Allein in der deutschen Stahlbranche wird die drohende Belastung durch die Erzrivalen auf jährlich rund 4,5 Mrd. Euro taxiert. (Reuters, ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 01.04.2010)