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Nur wenige Stunden nach seinem Tod forderten Fans bereits die Heiligsprechung Johannes Paul II. Normalerweise kann das Verfahren frühestens fünf Jahre nach dem Tod eingeleitet werden.

Foto:Reuters/Rossi

Am Freitag ist der fünfte Todestag von Papst Johannes Paul II. Die polnische Kirche und seine Fans drängen auf seine Seligsprechung. Doch eine Heilung, die nicht von Dauer war, könnte Probleme machen.

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Bei Millionen Verehrern genießt er Kultstatus. Unter den Devotionalienhändlern rund um den Petersdom gilt er noch immer als der Verkaufshit. Auch fünf Jahre nach seinem Tod findet der fromme Kitsch mit dem Bild des segnenden Polen reißenden Absatz.

Johannes Paul II. lächelt von Teetassen und Flaschen, Fingerhüten und Schirmmützen. "Santo subito" ("sofort heilig"), hatten Gläubige 2005 bereits wenige Stunden nach dem Tod Karol Wojtylas skandiert. Auch die polnische Kirche bemüht sich massiv um seine Seligsprechung. "Merkwürdig" sei das, beanstandet Pater Peter Gumpel, seit fünfzig Jahren Untersuchungsrichter in der päpstlichen Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse.

Natürlich versteht der strenge 84-Jährige den Wunsch vieler Anhänger nach baldiger Seligsprechung ihres Idols. "Den Übereifer der Begeisterung zu dämpfen erfordert Mut" , sagt Gumpel. 200 langwierige Verfahren warten darauf, nach den akribischen Regeln des "Divinus perfectionis magister" abgewickelt zu werden. Eine "nie erlebte Eile" registriert Gumpel im Fall Johannes Paul II. Am 16. Oktober, 32 Jahre nach Beginn seines langen Pontifikats, sollte der Vorgänger Joseph Ratzingers seliggesprochen werden. Indessen gilt bereits als sicher, dass der Termin auf das kommende Jahr verschoben wird.

Das Wunder wackelt

Der Grund: Der für die Seligsprechung erforderliche Nachweis eines Wunders scheint zu wackeln. Eine angeblich von Johannes Paul II geheilte Nonne aus Frankreich soll erneut erkrankt sein. Der Vatikan dementiert derartige Indiskretionen und verweist auf die "Komplexität des Untersuchungsverfahrens".

Der massive Druck irritiert die zuständige Kongregation. Deren Vorsitzender Erzbischof Angelo Amato zählt die Pflichtetappen auf dem Weg zur Seligkeit auf: "Zwei ärztliche Gutachten, Prüfung durch den medizinischen Beirat, Untersuchung durch Theologen und Kardinalskollegium." Die medizinische Kommission werde erst im April tagen. Sollte die Heilung der Ordensschwester Marie Simon-Pierrem nicht als Wunder anerkannt werden, bietet sich ein römischer Barbier als Ersatz an. Der freilich ist mit einem nicht unwesentlichen Makel behaftet: Er ist Kommunist.

In seinem winzigen Salon an der Via Appia fingert Gianni Vecchio einen Parteiausweis mit Hammer und Sichel und ein Bild von Mutter Teresa aus der Brieftasche. "Glaube und Politik sind zwei verschiedene Kapitel", schmunzelt der Friseur. Seit 1973 ließ sich ein damals weitgehend unbekannter polnischer Kardinal mit dem fremdartigen Namen Karol Wojtyla oft in Vecchios Salon rasieren. Auf dessen großformatiges Foto fiel der Blick des Friseurs, als er unlängst wegen eines Bandscheibenvorfalls ins römische San-Giovanni-Krankenhaus eingeliefert wurde. Doch die bereits anberaumte Operation musste wieder abgeblasen werden: Das Leiden des Patienten war aus unerklärlichen Gründen geheilt.

"Ich weiß, dass es Wojtyla war", versichert Vecchio dem Standard. Natürlich würde er gerne als "miracolato" zur Seligsprechung seines früheren Kunden beitragen. Das dafür geforderte "tugendhafte Leben" kann der Kommunist aber nach eigenem Bekenntnis nicht vorweisen: Er ist geschieden und lebt seit Jahren im unkeuschen Konkubinat mit seiner kroatischen Freundin. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2010)