Bild nicht mehr verfügbar.

29. März 2009: Die Dunkelblauen aus Oxford werfen ihren Steuermann in die Themse, sie haben auf 75 zu 79 verkürzt.

Foto: REUTERS/Toby Melville

London - Die 156. Auflage des Klassikers Oxford gegen Cambridge elektrisiert ganz England, doch eine rein englische Angelegenheit ist die berühmteste Ruder-Veranstaltung der Welt längst nicht mehr. Seit Jahren vergeben die beiden Unis ihre Stipendien auch nach sportlichen Gesichtspunkten, und so sitzen am Samstag (17 Uhr, live bei Eurosport) da wie dort schon mehr Legionäre, nämlich jeweils fünf, im Boot als Briten. So baut Cambridge auf drei US-Amerikaner und zwei Kanadier, für Oxford sind drei US-Amerikaner, unter ihnen mit Adam Barhamand sogar der Steuermann, ein Niederländer und ein Deutscher im Einsatz.

"Es ist eine große Ehre, Teil einer so langen und erfolgreichen Tradition zu sein. Die Anspannung ist groß", sagt Simon Gawlik. Der 24-jährige Frankfurter erfüllt sich im Oxford-Achter einen großen Wunsch. "Seit ich als Zwölfjähriger mit dem Rudern begonnen habe, war dieses Rennen mein Traum", erzählt Gawlik, der nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Harvard einen einjährigen Management-Kurs in Oxford angehängt hat.

Viel Zeit für diesen Kurs hatte der ehemalige U23-Weltmeister im Doppelvierer in den vergangenen Wochen allerdings nicht. Zwölf Trainingseinheiten standen wöchentlich auf dem Programm, nur der Montag war frei. Pressetermine, offizielles Wiegen, Einheiten im Kraftraum - Gawliks Terminkalender war vor dem großen Rennen über die 6,78 Kilometer zwischen den Bezirken Putney und Mortlake randvoll. 250.000 Zuseher werden an der Londoner Themse erwartet, 500 Millionen Menschen in 180 Ländern vor den TV-Geräten.

Cambridge führt

Die Mühe soll sich am Samstag auszahlen. Der Oxford-Achter ist pro Person rund 500 Gramm leichter als der Kontrahent aus Cambridge. Bei den Buchmachern gelten die Dunkelblauen um Gawlik dennoch als leichter Wettfavorit. "Ich sehe die Chancen bei 50:50. Die Mannschaften sind körperlich gleichwertig. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben", sagt Gawlik. Oxford hat den Klassiker 75-mal gewonnen, die Hellblauen aus Cambridge siegten 79-mal.

1877 endete das Rennen mit einem Unentschieden. Der Zielrichter soll damals so betrunken gewesen sein, dass er wegen des knappen Einlaufs nicht in der Lage war, ein Siegerboot zu bestimmen. Da war das Rennen auch schon beinah fünfzig Jahre alt. Für den zehnten Juni 1829 hatten der junge Cambridge-Absolvent Charles Merivale und sein in Oxford studierender Freund Charles Wordsworth, ein Neffe des Dichters William Wordsworth, einen sportlichen Ruder-Vergleich vereinbart und Crews um sich geschart. Wordsworth gewann das Rennen, das noch in Henley ausgetragen wurde und erst 1845 ins Herzen Londons verlegt wurde. Die Ruderer galten seinerzeit, so steht es in den Geschichtsbüchern, als "bewunderte Athleten", die ihre Kraft aus einer Diät mit "möglichst rohem Fleisch, Brot und starkem Bier" bezogen.

Die Besonderheiten des Duells beschreibt Gawlik wie folgt: "Das Rennen ist nicht fair. Es gibt keine Bojen. Der große Unterschied zu einer WM ist der, dass es keinen zweiten Platz gibt. Der Zweite verliert." Oxford ist Titelverteidiger, hat von den vergangenen fünf Rennen vier gewonnen, kann allerdings frühestens 2013 den Ausgleich schaffen. (fri, sid, DER STANDARD Printausgabe 02.04.2010)