Ein seltener Anblick: Der "Offene Bücherschrank" ohne Bücherfreunde beim Stöbern.

Foto: derStandard.at/Gedlicka

Wien - Die Türen des schräg stehenden Bücherschranks sind auf beiden Seiten geöffnet, fünf Interessenten stöbern herum. Zwei junge Männer sind dabei, eine ganze Reihe an Kishon-Büchern einzustellen, eine ältere Dame sieht es, freut und bedankt sich und nimmt die Bände gleich wieder mit. Das Bücherangebot ist bunt gemischt, Konsalik steht neben einem Filmbuch über Luis Bunuel, Platon neben Kinderlektüre. Alle, die herumwühlen und schnell miteinander ins Gespräch kommen, sind sich einig, der "Offene Bücherschrank" an der Ecke Westbahnstraße/Zieglergasse in Wien-Neubau ist ein "echt tolle Sache".

"Allen Unkenrufen zum Trotz keine Beschädigungen"

Seit Anfang Februar erlaubt das von Frank Gassner initiierte und finanzierte Projekt das kostenlose Entnehmen, aber auch das formlose Hineinlegen von Büchern. "Es funktioniert wahnsinnig gut", freut sich der Wiener Künstler, der das Konzept, das sich in deutschen Städten schon seit Längerem großer Beliebtheit erfreut, in der Bundeshauptstadt realisiert hat. "Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es keine Beschädigungen", wurde die größte Befürchtung nicht bestätigt.

Auch mit dem angestrebten Gleichgewicht aus Geben und Nehmen gibt es laut Gassner keine Probleme. 5.000 Aufkleber, mit denen die Bücher einer kommerziellen Nutzung entzogen werden sollen, hatte er ursprünglich geordert - und musste bereits nachbestellen. "Kein Buch bleibt länger als eine Woche im Schrank", so Gassner.

Einfach hat sich auch die Suche nach PatInnen, die bei der Wartung des Bücherschranks mithelfen, gestaltet: "Acht, neun Leute sind es derzeit." Bis 11. Juni wurde das Projekt in Wien-Neubau ursprünglich genehmigt. Für eine weitere Genehmigung "schaut es ganz gut aus, wenn Bezirksvorsteher Blimlinger zu seinem Wort steht", so Gassner.

Weitere Bezirke sollen folgen

Und nicht nur das: "Es gibt sehr konkrete Planungen für Bücherschränke in drei weiteren Bezirken." Über die Finanzierung wird derzeit verhandelt. Und wie erklärt sich Gassner den Erfolg des "Offenen Bücherschranks"? "Er ist neu und gratis - was Besseres gibt es nicht!" (Karl Gedlicka, derStandard.at, 5. April 2010)