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Dafür, dass auch jene dem Osterschinken nicht entkommen, die ihm in fleischlicher Form entsagen, sorgt alle Jahre wieder das Fernsehprogramm. Heuer gleich doppelt, mit Charleys Tante (1963) und dem Kaiserball (1956), die am Ostersonntag beide auf ORF 2 serviert werden und schon wegen des Produktionsdatums das Prädikat "lange gereift" verdienen.

Im Vergleich dazu ist das österliche Schinkenbein, das heute meist durch Selchschopf oder sonst ein handliches, der Nuklearfamilie entsprechendes Stück ersetzt wird, in jedem Fall jüngeren Datums: Traditionell wird beim vorweihnachtlichen Schlachten festgelegt, welcher Teil der Sau nach Ende der Fastenzeit den österlichen Festtagstisch auffetten soll. Worauf er ordentlich geselcht wird und an einem kühlen, gut belüfteten Ort abhängen darf, bis der Tag der Auferstehung naht - und damit ein nächtlicher Aufenthalt in der örtlichen Kirche.

Während nämlich das Schlachten der Wintersau am Hof hierorts längst der Vergangenheit angehört, ist die österliche Fleischweihe bis heute weit verbreitet. In vielen Gegenden wird der Schinken auch "Woachfleisch" (Weihfleisch) genannt - nicht etwa, weil es sich um ein besonders weiches Stück handelt, sondern weil es, gemeinsam mit Eiern, Salz, Pinzen und Kren eines jener Lebensmittel ist, mit denen der Weihkorb gefüllt wird. Eine reich bestickte Decke schützt den Inhalt vor Fliegen und den allzu neugierigen Augen der Nachbarn, wenn er zur Osternachtsmette (mancherorts auch zu einem kinderfreundlichen Nachmittagstermin) in die Kirche getragen wird, um die Fleischweihe zu empfangen.

Am Ostersonntag schlägt ihn der Hausmann oder die -frau frühmorgens in Brotteig und bäckt ihn langsam - was freilich kaum je verhindern kann, dass der Teig wegen übermäßigen Saftelns des Schinkens derart durchweicht, dass bis auf die resche Kruste alles sitzenbleibt. Das mag aus kulinarischen Gründen dagegensprechen, den Schinken derart zu verpacken - aus religiöser Sicht aber ist es ein ziemlich idealer Weg, um die Transsubstantiation des Brotes als "Fleisch Christi" auch schmeckbar zu machen.

Wobei so gesehen eigentlich nichts dagegen spricht, den zuvor mit Gewürzen gesottenen Schinken ganz pragmatisch mit Senf und Honig zu bestreichen und in Semmelbröseln zu wenden, bevor er, mit Butter beträufelt, unter dem Grill zu goldgelber Brotähnlichkeit knuspern darf. (Severin Corti/DER STANDARD, Printausgabe, 3./4. April 2010)