Der neue Pilz Hymenoscyphus pseudoalbidus tötet die mittel- und nordeuropäischen Eschen.

Foto: V. Queloz / ETH Zürich

Möglicherweise der Schlüssel für die Aggressivität: Die Sporenbehälter von Hymenoscyphus pseudoalbidus sind länger und spitziger als die der verwandten Pilzart.

Foto: V. Queloz / ETH Zürich

Zürich/Wien - Ein ehemals harmloser, nun aber aggressiv gewordener Pilz ist nach aktuellen  Erkenntnissen für das mittel- und nordeuropäische Eschensterben verantwortlich. Die Ursachen, warum sich aus dem ungefährlichen Streu-abbauenden Pilz Hymenoscyphus albidus der nun als Hymenoscyphus pseudoalbidus bezeichnete Baumkiller entwickeln konnte, bleiben allerdings unklar.

Das rätselhafte Phänomen des Eschensterbens begann Anfang der 1990er Jahre in Ostpolen und breitete sich in den folgenden Jahren bis Mitteleuropa aus. Spätestens seit 2006 ist auch Österreich betroffen. Durch den Pilzbefall sterben zuerst Triebe, Zweige und Äste ab, letztendlich kann der ganze Baum eingehen.

2006 meldete ein polnischer Wissenschafter die mögliche Ursache für das Phänomen. Er hatte aus 70 Prozent der abgestorbenen Eschen einen bis dahin unbekannten Pilz zu isoliert, den er Chalara fraxinea nannte. Anhand der Fruchtkörper des Pilzes zeigte sich aber später, dass Chalara fraxinea ein alter Bekannter und mehr oder weniger ident ist mit Hymenoscyphus albidus. Diese Art gilt als harmlos, sie lebt etwa in der Streu und macht sich über abgestorbenes Material her.

Nun gingen Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich der Sache neuerlich auf den Grund. Valentin Queloz vom Institut für Integrative Biologie fand im Sommer 2009 in einigen Gebieten nördlich der Alpen massenhaft die kleinen weißen Pilze. So war ein Waldstück im Jura übersät damit. Ein anderes Bild bot sich ihm südlich der Alpen. Er fand nach langer Suche den Pilz, jedoch waren es nur kleinere Fruchtkörper.

Aggressive Form nur nördlich der Alpen

Erst im Labor kam der Forscher dem Rätsel der ungleichen Verbreitung auf die Spur. Was er südlich der Alpen fand, war tatsächlich der harmlose Hymenoscyphus albidus. Die krank machende Form des Pilzes hingegen sammelte er nur nördlich der Alpen. Eine genetische Untersuchung lieferte die Erklärung: Der aggressive, krankmachende Pilz ist doch eine andere Art, die Queloz nannte sie in einer nun veröffentlichten Arbeit Hymenoscyphus pseudoalbidus.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die neue Art eine aggressiv gewordene Variante des harmlosen Hymenoscyphus albidus darstellt. Weshalb sich der Pilz innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem Pathogen wandelte, wie er die krank machenden Eigenschaften erworben hat und sich gegen die harmlose Art durchsetzen konnte, bleibt vorerst ungeklärt. Eine Theorie sieht den Klimawandel als Ursache. Dieser könnte die Eschen soweit geschwächt haben, dass der aggressivere Pilz dominieren konnte. (red/APA)