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Im Inneren des Mahnmals küssen sich noch zwei Männer.

Foto: AP/Markus Schreiber

Im Mai 2008 ist es unter großen Diskussionen eingeweiht worden: das Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin. Jetzt, zwei Jahre danach, entflammt die Debatte erneut. Stein des Anstoßes ist ein Video, das im Inneren des Mahnmals gezeigt wird und zwei homosexuelle Männer zeigt, die sich küssen. Das Video soll nun aber am 27. Mai gegen ein lesbisches Pärchen, das sich liebkost, ausgetauscht werden. Das „würde zu einer Verzerrung und Verfälschung der Geschichte wie des Andenkens an die Verfolgten führen", ist die Meinung von 25 Homosexuellenaktivisten, Wissenschaftern und Leitern der deutschen KZ-Gedenkstätten Buchenwald, Dachau und Ravensbrück. 

Sie brachten ihren Missmut in einem offenen Brief an Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) zum Ausdruck. Ihrer Meinung nach sei es "historisch nicht zu belegen, dass lesbische Frauen im Nationalsozialismus individueller Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt gewesen seien". Zwar wären auch lesbische Frauen in Konzentrationslagern gewesen, doch hätte das andere Gründe gehabt: "Das waren entweder Jüdinnen oder Zeugen Jehovas oder sind wegen einer anderen Tatsache im KZ gelandet", so Alexander Zinn vom Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, der den Brief verfasst hat.

Neumann rechtfertigt das Vorgehen bei der Thematik des neuen Mahnmalclips so, dass mit der Aktion "keinesfalls eine Gleichsetzung von homosexuellen Männern und Frauen im Hinblick auf ihre Verfolgung im NS-Regime beabsichtigt" sei. Er weist außerdem darauf hin, dass es einen Hinweis auf dem Mahnmal gebe, dass lesbische Frauen nicht in der gleichen Weise verfolgt worden seien wie schwule Männer. Trotzdem wären "auch die Freiheitsrechte lesbischer Frauen im 'Dritten Reich' eingeschränkt" gewesen. So wären ihre Zeitungen verboten worden.

Frauenmagazin "Emma" trat Debatte schon vor Eröffnung los

Ursprünglich hätte der Film im Mahnmal nie gewechselt werden sollen. Die Intension des dänisch-norwegischen Künstlerpaares Michael Elmgreen und Ingar Dragset war, ein ewig küssendes Männerpaar zu präsentieren. Der Entwurf musste aber aufgrund einer Kampagne des Frauenmagazins "Emma" abgeändert werden. "Emma" forderte eine Gleichstellung von Lesben und Schwulen im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und sammelte vor der Eröffnung des Mahnmals 1.500 prominente Unterstützer. Daraufhin kam es zu einer Vereinbarung zwischen dem Kulturstaatsminister, dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die die zweijährige Auswechslung des Motivs vorsieht. "Emma" verweist außerdem auf die Widmung des Mahnmals, das als dritten Punkt "ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen" soll. Das hält Zinn auch für wichtig, aber er glaubt, dass dieser Zweck auch durch „das Gedenken an frühere Verfolgung gegeben ist" und man könne ein „Denkmal nicht seiner ursprünglichen Widmung entkleiden und für aktuelle Zwecke instrumentalisieren".

"Lesbenlisten" seien ein "Mythos"

Jetzt macht sich "Emma" wieder für verfolgte Lesben im Dritten Reich stark und zitiert in einem Artikel vom 06. April zwei Forscherinnen, die sich mit der Verfolgung von homosexuellen Frauen befassen. Deren Forschungsergebnisse sollen belegen, dass es so genannte "Lesbenlisten" der Gestapo gegeben hat, aufgrund derer Gruppenvergewaltigungen vollzogen wurden. Außerdem soll es eine Tatsache sein, dass man homosexuelle Frauen "besonders gern in Bordelle steckte", weil sie dort wieder "auf Vordermann gebracht würden". "Das sind Mythen und es gibt keinen Beleg für die Aussagen", so Alexander Zinn: "Genauso eine Legende ist, dass lesbische Frauen im KZ auch schwarze Winkel, in Anlehnung an die rosa Winkel von homosexuellen Internierten, getragen haben sollen."

Bis Ende Mai muss eine Jury aus Vertretern des LSVD, des Landes Berlin und des Bundeskulturbeauftragen aus vierzehn eingesandten Videos wählen. Fünf befinden sich nach ersten Angaben der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas in der engeren Auswahl. Zwar wurde in der Ausschreibung nur ein "gleichgeschlechtlicher Kuss" gefordert, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass das Siegervideo zwei küssende Frauen zeigen wird. (Bianca Blei/derStandard.at/8.4.2010)