Wiener Neustadt - Selbst das Fehlen kriminalistisch verwertbarer Spuren - zum Beispiel nach dem Einschlagen der Auslagenscheibe eines Pelzhauses - kann der Polizei eine Spur legen. Das zumindest meint Bettina Bogner, Chefinspektorin beim Landeskriminalamt Wien und zentrale Ermittlerin der Sonderkommission (Soko) Pelztier, die am Donnerstag als erste Zeugin der Anklage beim Tierschützerprozess im Landesgericht Wiener Neustadt aussagte. Die damit einhergehende Eröffnung des Beweisverfahrens hätte laut ursprünglichem Verhandlungsplan schon vor mehreren Wochen stattfinden sollen.

Auffallend an den von ihr mit untersuchten "Tathandlungen, die in Zusammenhang mit Tierrechtsanliegen standen" , sei gewesen, "dass es außer dem Schadensbild und einem Bekennerschreiben oft keinerlei Hinweise auf die Täter gegeben hat" , sagte Bogner: keine vergessenen Gegenstände, keine DNA-Spuren, keine Aufschlüsse aus der Funkzellenüberwachung - der Ortung verdächtiger Handykontakte - nach einer Beschmier- oder Tierbefreiungsaktion.

Dafür seien im Fadinger-Forum - einer vom Hauptangeklagten Martin Balluch initiierten Mailingliste für eine fixe Gruppe interessierter Tierschützer - Aufrufe zirkuliert, "bei Aktionen keine Spuren zu hinterlassen" . Und Tipps, wie das zu bewerkstelligen sei. Diese seien außerdem "bei Tierrechtlerworkshops und internationalen Meetings" verbreitet worden. Etwa, dass man, um die Funkzellenüberwachung zu umgehen, "einfach das Handy nicht mitnehmen oder es ausschalten soll" .

Vor Richterin Sonja Arleth führte die 44-jährige Spurensicherungs- und Kriminaltechnikexpertin aus, warum Aufrufe wie diese - und besagte Spurenknappheit - als Hinweise auf ein organisiertes Vorgehen "militanter Tierschützer" zu werten seien. Es handle sich um die "weltweit vernetzten" Strukturen der Animal Liberation Front (ALF), die, ohne zentral organisiert zu sein, als "Manifest und Regelwerk" verbreitet würden, sagte sie.

Also um eine Art Zusammenschluss, der laut dem Verfassungsrechtler Heinz Mayer als kriminelle Organisation laut Paragraf 278a bezeichnet werden kann: Jener Strafrechtsbestimmung, wegen der die 13 Beschuldigten unter anderem vor Gericht stehen - was von Verfassungsexperten mehrfach kritisiert wurde.

Wer immer die ALF-Regeln anerkennt, ist laut Bogner befugt, in diesem Namen Aktionen durchzuführen; zum Zeitpunkt der Soko-Pelztier-Gründung "niederschwellige Aktionen" gegen Modehäuser wie Fürnkranz, P & C, Escada und vor allem Kleider Bauer, die allesamt Pelzkleidung im Sortiment hatten. Am 10. April 2007 führte eine Sachbeschädigung an Privatautos der Kleider-Bauer-Inhaber zur Gründung der Soko Pelztier: einer Ermittlungsgruppe mit bis zu 13 Polizeiexperten "von der Mordkommission über Datenschutzleute hin zu Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung (BVT)" .

Ausufernde Polizeiarbeit

"Die Soko Pelztier sollte ursprünglich sechs Monate arbeiten" , schilderte Bogner. Dass daraus über zwei Jahre wurden und ein bisher einzigartiger Ermittlungsaufwand betrieben wurde, habe mit dem "professionellen Vorgehen" der Beschuldigten zu tun gehabt. Diese und ihre Unterstützer im Gerichtssaal reagierten auf Bogners Aussagen mit lauten Kommentaren und Klatschen. Richterin Arleth verwies Zuhörer des Saales und mahnte Verteidiger Josef Philipp Bischof ab. Der Prozess geht kommenden Woche weiter. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 9. April 2010)