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Eine Kunstinstallation in der Londoner National Gallery zum Thema Prostitution. Ein Thema, das derzeit heiß debattiert wird.

Foto: APA/AP/Lefteris Pitarakis

Im Gewerbe selbst ist von einer Kriminalisierung der Zunft die Rede.

Im Kampf gegen den Menschenhandel und die Kriminalität rund ums horizontale Gewerbe hat die britische Regierung die Gesetze verschärft. Seit Anfang des Monats steht bezahlter Sex mit "ausgebeuteten Personen" unter Strafe. Neben einer saftigen Geldbuße droht den Freiern ein Eintrag ins Strafregister. Unwissenheit über die persönlichen Umstände der Prostituierten soll nicht als Entschuldigung akzeptiert werden. Wer wissentlich Sex von einer "ausgebeuteten Person" kauft, riskiert in Zukunft eine Anklage wegen Vergewaltigung. Erste Festnahmen gab es bereits.

Die neue Gesetzeslage geht auf die Initiative der früheren Innenministerin Jacqui Smith sowie der Labour-Vizechefin Harriet Harman zurück. Sie sehen Prostituierte generell als Opfer, denen besser geholfen werden muss. "Wir können die Ausbeutung nicht bekämpfen, wenn wir nicht der Nachfrage Einhalt gebieten", argumentiert Smith. "Männer sollten es sich zweimal überlegen, ehe sie für Sex bezahlen." Wie bisher bleibt Prostitution selbst straffrei, Zuhälterei, der Betrieb eines Bordells und das Straßenstrich-Stehen hingegen wird bestraft und soll nun härter verfolgt werden.

Von der Opposition kommt vorsichtige Zustimmung. Allein in der Metropole London, so die Schätzung des konservativen Vize-Bürgermeisters Kit Malthouse, existieren 900 Bordelle. Regierungsangaben zufolge arbeiten 80 Prozent der rund 80.000 Prostituierten auf der Insel entweder für einen Zuhälter oder für organisierte MenschenhändlerInnen. Die Zahl an Ausländerinnen, die zur Prostitution gezwungen werden, steige. Rund 25.000 der "modernen Sklavinnen" gibt es laut Regierung in Großbritannien.
Soziologin Julia O'Connell Davidson hält das für eine "groteske" Überschätzung. Zwar seien Ausbeutung und Gewalt im Sexgewerbe zweifellos an der Tagesordnung, "aber nur bei einer Minderheit der Fälle geht es um erzwungene Prostitution."

Die englische Prostituiertengemeinschaft ECP hat sich vergeblich gegen die Pläne "religiöser und feministischer Fundamentalisten" gewehrt. ECP-Sprecherin Nikki Adams beklagt die Kriminalisierung ihrer Zunft: Schon bisher würden immer wieder "zwei Frauen, die völlig diskret und zu ihrer eigenen Sicherheit zusammenarbeiten, wegen Förderung der Prostitution angeklagt". Dabei arbeite "die Mehrheit" der Angehörigen des Gewerbes auf eigene Rechnung. Die Angaben der Regierung, wonach 80 Prozent der Prostituierten äußerem Zwang unterlägen, hält Adams für "frei erfunden". Die neuen Gesetze trieben Prostituierte in die Illegalität. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.4. 2010)