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Polizisten in den Straßen von Bischkek

Foto: APA/EPA/Kochetkov

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Demonstranten, unter ihnen ein Bewaffneter, nach der Erstürmung des Amtssitzes von Präsident Kurmanbek Bakijew in Bischkek.

Foto: AP/Semlianitschenko

Die Lage in der zentralasiatischen Republik Kirgistan bleibt explosiv. Der von der Opposition vertriebene Präsident Kurmanbek Bakijew soll im Süden des Landes seine Anhänger zusammentrommeln. Es droht ein Bürgerkrieg.

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Sadrybek Makejew war gerade auf dem Rückweg von einer Beerdigung, als ihm plötzlich zwei Baumstämme den Weg nach Bischkek versperrten. "Aufständische wollten mich und meinen Sohn dazu zwingen, bei der Stürmung der Stadtverwaltung mitzumachen. Sie waren sehr aggressiv", erzählt der Bildhauer aus Bischkek. Über einen Umweg ist es Makejew dann doch noch gelungen, sicher in die kirgisische Hauptstadt zu kommen.

Am Tag nach den blutigen Krawallen, die mindestens 75 Todesopfer forderten, haben in Bischkek die Aufräumungsarbeiten begonnen. "Heute war es auf den Straßen soweit ruhig", berichtet Makejew per Telefon aus Bischkek. Mit Einbruch der Dunkelheit setzte jedoch schweres Gewehrfeuer ein.

In der Bevölkerung wuchs unterdessen die Angst vor einer weiteren Eskalation. Der vermutlich in den Süden des Landes geflohene Präsident Kurmanbek Bakijew soll dort seine Anhänger sammeln und Truppen zusammenstellen, um die Kontrolle über die Hauptstadt wiederzuerlangen.

"Der Präsident versucht im Süden, die Wählerschaft zu konsolidieren, um seine Positionen zu schützen", sagte Oppositionsführerin und Interimsregierungschefin Rosa Otunbajewa. Sie forderte Bakijew zum Rücktritt auf. "Wenn Bakijew versucht, seine Anhängerschaft zu mobilisieren, dann besteht die Gefahr eines Bürgerkriegs in Kirgistan" , sagte der Moskauer Politologe Fedor Lukjanow zum Standard. Das Problem sei, dass es derzeit an einer Führungspersönlichkeit fehle, die in allen Teilen des Landes die volle Unterstützung habe.

Nach der Meinung von Experten besteht auch die Gefahr, dass die Proteste in angrenzende Länder übergreifen. Laut Roman Vassilenko, einem Sprecher des kasachischen Außenministeriums, gebe es jedoch keinen Anlass dafür, anzunehmen, dass die Proteste auf Kasachstan übergreifen könnten.

Für Russland und die USA, die beide in Kirgistan Militärstützpunkte unterhalten, ist die Krise in der ehemaligen Sowjetrepublik Anlass für große Sorge. Vor allem für die USA ist der Luftwaffenstützpunkt in Manas von strategischer Bedeutung, da von dort die Versorgung der Truppen in Afghanistan bewerkstelligt wird.

"Wir werden die internationalen Abkommen der Republik zu 100 Prozent befolgen" , versicherte Otunbajewa. Das gelte auch für Manas. Laut Lukjanow kann es sich die Opposition nicht erlauben, sich mit den Großmächten anzulegen, da das heruntergewirtschaftete Land auf ausländische Wirtschaftshilfe angewiesen sei.

Russlands Premierminister Wladimir Putin hat die neue Regierungschefin bereits anerkannt und Unterstützung zugesagt. "Russland hat keinen Grund, Präsident Bakijew nachzuweinen" , sagt Lukjanow. Der Präsident, der zunächst als russlandfreundlich galt, hatte es sich mit Putin verscherzt, als er sich nicht an die Abmachung hielt, den US-Stützpunkt zu schließen. Russland hatte Bakijew im Gegenzug einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden Dollar zugesagt.

Indes hat die Opposition, die nach eigenen Angaben vier von sieben Teilgebieten Kirgistans kontrolliert, die ersten Schritte gesetzt. So wurde die Behörde für Entwicklung, Investitionen und Innovationen, die von der Opposition als korrupteste Clanstruktur des Landes bezeichnet wurde, abgeschafft. Der Vorsitzende der Innovationsbehörde, Präsidentensohn Maxim Bakijew, soll sich derzeit in den USA aufhalten, wo er am 8. April an einem Investitionsforum in Washington teilnehmen wollte.

Außerdem plant die Interimsregierung, die ein halbes Jahr im Amt sein soll, eine Änderung der Verfassung und der Gesetze für Wahlen, politische Parteien und Demonstrationen. Daneben hat die Oppositionsführerin versprochen, die Energietarife, die erst kürzlich um 50 Prozent erhöht wurden, auf ihr Ausgangsniveau zu senken. Der provisorische Wirtschaftsminister Temir Sarijew erklärte laut Itar-Tass, die Nationalbank werde die Finanzflüsse einiger Geschäftsbanken, die von der Familie Bakijew für ihre Geschäfte verwendet wurden, unter die Lupe nehmen. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2010)