Bildungsorganisationen und akademische Institutionen aus fünf europäischen Ländern widmeten sich dem Vorhaben, "bildungsfernen Angehörigen ethnischer Minderheiten" sowie Migranten über 45 Angebote der Erwachsenenbildung näherzubringen. Das Großprojekt wurde vom Innsbrucker Verein Multikulturell koordiniert und vom soziologischen Institut der Universität Wien wissenschaftlich begleitet.
Rumänen, Slowaken, Franzosen, Deutsche und Österreicher wirkten zusammen, um die in ihren Ländern vorherrschenden Hürden auf dem Weg zur Bildung zu erheben. Zudem wurde untersucht, wie sich der Alltag der Zielgruppen-Angehörigen strukturiert, welche Aktivitäten sie ausüben und welche Werte in ihrem Leben eine Rolle spielen.
Wichtig:Geografische Nähe
Die Befragungsergebnisse flossen in die Konzeption verschiedener neuer Bildungsmodule ein, wobei Faktoren wie die oft begrenzten Zeitressourcen, finanzielle Aspekte und der Wunsch nach geografischer Nähe der Weiterbildungsorte zum Wohnort mitgedacht werden mussten.
Den Wiener Soziologen Christoph Reinprecht, der auch der neuen Forschungsplattform "Migration and Integration Research" angehört, und Gülay Ates oblag die Evaluation der Module. Die beiden fanden heraus, dass die verlangten Bildungsinhalte in den jeweiligen Ländern stark variieren und in engem Zusammenhang mit der Lebenswelt der Bildungswilligen stehen. So habe sich etwa für die Gruppe der Roma in Österreich ein direkter Bezug zu arbeitsmarktrelevanten Fertigkeiten ergeben, in anderen Ländern standen kreative und sportliche Aktivitäten an erster Stelle.
Die Stärkung der Lebensqualität sei durchwegs eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme an Bildungsprozessen, und Reinprecht betont weiters:"Es geht darum, psychosoziale Voraussetzungen zu schaffen, damit Zugänge überhaupt möglich werden."
Auch die interkulturellen und pädagogischen Kompetenzen der Erwachsenenbildnerinnen und -bildner spielen dabei eine wesentliche Rolle: Es brauche ein Umfeld, das das Entstehen sozialer Beziehungen ermöglicht. "Die Räume, in denen man Probleme einbringen kann, sind für diese Gruppe sehr eng. Dadurch, dass dieses Bedürfnis in den Kursen Platz hatte, wurde der Bildungsfunktion der Module überhaupt erst Genüge getan" , so Reinprecht.
Insgesamt würden die positiven Rückmeldungen der Kursteilnehmer überwiegen, erklären die Projektverantwortlichen, aber dennoch bleibe eine bedeutende Hürde:Die Teilnahmekosten für Angebote der Erwachsenenbildung seien auf einem Niveau, das sich gerade die Angehörigen ethnischer Minderheiten und Migranten nicht leisten können.
Die Ergebnisse des EU-geförderten Projekts seien in diesem Sinn auch als Appell an Bildungseinrichtungen zu sehen, Barrieren aller Art gerade für diese Zielgruppe abzubauen. (mad, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.4.2010)