Es ist noch ein weiter Weg zur gelungenen Integration in Wien: Stadtbewohner mit Migrationshintergrund sind unter anderem in Bildung, Beschäftigung und Gesundheit benachteiligt

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Wien - Mangelhafte Ausbildung, niedriges Einkommen, beengte Wohnverhältnisse - Wiener mit Migrationshintergund haben in so gut wie allen Lebensbereichen wesentlich schlechtere Karten als Alteingesessene. Das zeigt eine von der Stadt gemeinsam mit dem Europaforum und dem Büro Difference durchgeführte Studie. In sämtlichen acht untersuchten Themenfeldern - von Bildung über Beschäftigung bis Gesundheit - zeigen sich teils große Unterschiede.

So haben etwa 35 Prozent der Zuwanderer über 20 nur einen Pflichtschulabschluss, bei Wienern ohne Migrationshintergrund sind es 15 Prozent. Schlechtere Ausbildung führt dann auch zu schlechterer Bezahlung: Weibliche und männliche Beschäftigte aus den EU-Staaten, dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei verfügen über nur 40 bis 65 Prozent des Einkommens von österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Allerdings ist auch eine Hochschulausbildung keine Garantie für ein geregeltes Einkommen: 67 Prozent der arbeitslosen Akademiker haben einen Migrationshintergrund.

Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SP), in deren Auftrag die Untersuchung durchgeführt wurde, will diese Gräben in den nächsten Jahren schließen - oder zumindest verkleinern. Unter anderem mittels Intensivierung der Frühförderung im Kindergarten, sozialarbeiterischer Ausbildungsbegleitung für Jugendliche nach der Pflichtschule sowie durch den Ausbau an Anerkennungsmöglichkeiten von ausländischen Bildungsabschlüssen. Auch Neuzuwanderer bräuchten mehr Begleitung: "Wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie damals bei den Gastarbeitern", sagt Frauenberger.

Bürgermeister Michael Häupl (SP) kann sich sogar die Einrichtung eigener türkischer Schulen vorstellen. Dies könne in Analogie etwa zum Lycée Français oder der Vienna International School geschehen, sagte Häupl bei einem gemeinsamen Termin mit dem türkischen Botschafter am Freitag.

Der sogenannte Integrations- und Diversitätsmonitor soll künftig alle zwei Jahre erscheinen. "Wir haben diesmal bei der Messbarkeit noch nicht alles zusammengebracht, aber vieles", sagt Frauenberger. In vielen Bereichen hätten bisher schlichtweg die Daten gefehlt. Als Wiener mit Migrationshintergrund gelten Stadtbewohner, die entweder im Ausland geboren sind, eine andere Staatsbürgerschaft haben oder mindestens einen Elternteil mit ausländischer Herkunft haben.

Demnach weisen in Wien 44 Prozent der Bevölkerung Migrationshintergrund auf. Die Enkelkinder des klassischen Gastarbeiters, der in den Sechzigern nach Österreich kam, sind da also nicht miteinberechnet. Frauenberger will ihr Hauptaugenmerk auf die zweite Generation legen. Dabei spiele auch Partizipation eine wesentliche Rolle: "Wir brauchen das kommunale Wahlrecht für Nicht-Österreicher." Diesbezüglich müsse man weiter Druck auf den Bund machen.

Im eigenen Wirkungsbereich will sich die Wiener Integrationsstadträtin künftig auch vermehrt den älteren Migranten zuwenden. Denn diese würden in der Pension die deutsche Sprache oft völlig verlernen. Diesen Sommer sollen erstmals Streetworker ausrücken, die sich speziell um diese Migrantengruppe bemühen. Ältere Menschen mit Migrationshintergrund bleiben meist auch für das Gesundheitssystem unsichtbar: Laut Bericht nimmt nur eine verschwindend geringe Zahl an Migranten Pflegedienstleistungen in Anspruch.

"Man muss sich auch fragen, was trägt die Stadt in ihrer Regelstruktur zu Integration bei?", sagt Kenan Güngör vom Büro Difference. Im Bericht wurde deshalb neben dem Integrations- auch ein Diversitätsbarometer entwickelt: 30 Magistratsabteilungen wurden im Hinblick auf ihre Niederschwelligkeit für Migranten untersucht.Vorbildlich hat da etwa die MA 13 (Jugend und Pädagogik) abgeschnitten, weniger gut kamen die MA 55 (Bürgerdienst) sowie die MA 15 (Gesundheitsdienst) weg. (Martina Stemmer/DER STANDARD, Printausgabe, 10./11. April 2010)