Israels Atombewaffnung ist nicht vom Himmel gefallen, sondern in den 1960er-Jahren im Kontext einer konkreten Bedrohung und quantitativen Überlegenheit der Gegner entstanden. Die "nukleare Ambiguität" Israels - die Nichtdeklaration als Atomwaffenstaat - stammt aus dem Jahr 1969, als die USA feststellen mussten, dass sie gescheitert waren, Israel vom "Besitz" der Bombe abzuhalten. Danach verlangten sie von Israel nur noch die "Nichteinführung" von Atomwaffen im Nahen Osten.

Diese Ambiguität hat ihre Meriten: In den späten 1970ern etwa, als Israel und Ägypten - das ebenfalls mit einem militärischen Nuklearprogramm kokettiert hatte - ihren Frieden verhandelten, half sie dabei, das Thema quasi vom Tisch unter diesen zu verbannen. Ägypten wurde zum Verfechter einer nuklearwaffenfreien Zone, wohl wissend, dass Israel niemals abrüsten würde, solange es im Nahen Osten keinen umfassenden Frieden gibt.

Erst die Iran-Debatte führt eine Schieflage herbei - wobei in Israel selbst diskutiert wird, ob eine Deklaration der Atomwaffen als Abschreckung nicht sinnvoll wäre. In der Region wächst gleichzeitig der Unmut darüber, dass einer, der ein internationales Sicherheitsinstrument - den Atomwaffensperrvertrag - für sich selbst ablehnt, von einem anderen sehr energisch dessen Einhaltung (und mehr) verlangt, dieses Instrument also benützt. Für diese Paradoxie gibt es keine Lösung, nur eine historische Erklärung. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 10.4.2010)